Griechenland: Helfer kritisieren Gewalt gegen Geflüchtete

Griechenland: Helfer kritisieren Gewalt gegen Geflüchtete
Zehntausende Menschen haben in diesem Jahr Schutz in Griechenland gesucht. Dabei wurden sie oft schlecht behandelt. "Ärzte ohne Grenzen" verlangt nun ein Eingreifen der griechischen Regierung und der EU.

Frankfurt a.M. (epd). Geflüchtete auf den griechischen Ägäisinseln sind laut „Ärzte ohne Grenzen“ Gewalt und Erniedrigungen ausgesetzt. Uniformierte Beamte auf Lesbos und Samos schlügen die Schutzsuchenden, legten ihnen unnötigerweise Handschellen an, raubten sie aus und drängten sie zurück auf das Mittelmeer, hieß es in einem Bericht, der am Donnerstag in Athen vorgestellt wurde. „Wir fordern die griechische Regierung und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Menschen, die in Griechenland Schutz suchen, mit Menschlichkeit und Würde behandelt werden“, sagte der Präsident der Hilfsorganisation, Christos Christou.

Das erzwungene Zurückdrängen der Menschen auf das Mittelmeer, sogenannte Pushbacks, solle dauerhaft beendet und die Einhaltung der Menschenrechte von unabhängigen Behörden geprüft werden, forderte „Ärzte ohne Grenzen“. Den Geflüchteten müsse ein Zugang zu fairen Asylverfahren und medizinischer und humanitärer Hilfe ermöglicht werden. Auch müsse sich der Umgang mit Helferinnen und Helfern ändern, sowohl auf dem Mittelmeer als auch an Land. „Zivilgesellschaftliche Organisationen und Hilfsorganisationen, die versuchen, Schutzbedürftigen auf den ägäischen Inseln zu helfen, werden von den Behörden behindert und teilweise strafrechtlich verfolgt“, kritisierte der politische Referent von „Ärzte ohne Grenzen“, Felix Braunsdorf.

In den vergangenen zwei Jahren versorgte „Ärzte ohne Grenzen“ auf den ägäischen Inseln nach eigenen Angaben 7.904 Menschen kurz nach ihrer Ankunft. 1.520 von ihnen seien Kinder gewesen, die teils ohne erwachsene Begleitung unterwegs waren, auch Hochschwangere, Neugeborene und ältere Menschen hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter medizinisch behandelt.

Nach UN-Angaben sind in diesem Jahr über 37.500 Schutzsuchende in Griechenland angekommen, knapp 32.000 von ihnen auf dem Seeweg. Im gesamten Jahr 2022 erreichten 18.780 Geflüchtete das Land, davon 12.760 über das Mittelmeer.

Der Bericht „In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“ von „Ärzte ohne Grenzen“ umfasst Aussagen von Betroffenen und medizinische Daten, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsorganisation zwischen August 2021 und Juli 2023 auf Lesbos und Samos gesammelt haben. Demzufolge werden ankommende Menschen bereits vor Erreichen des Festlands durch griechische Behördenmitarbeiter angegriffen.

Nach Aussagen einer Geflüchteten habe ein Vermummter ihr Boot beim Erreichen griechischer Gewässer beschädigt und die Insassen mit einem Stock geschlagen. „Wir standen mitten auf dem Meer ohne Motor da.“ Andere schilderten, wie uniformierte oder maskierte Männer sie abgefangen, ihre Hand und Fußgelenke fixiert, sie geschlagen, beleidigt und zu erniedrigenden Leibesvisitationen gezwungen hätten. Weiteren seien nach ihrer Ankunft Mobiltelefone, Geld und Medikamente entwendet worden. Danach habe man sie gezwungen, in Boote zu steigen und zurück aufs Meer hinauszufahren.

Die griechischen Behörden, darunter auch die Küstenwache, stehen immer wieder in der Kritik aufgrund ihres Umgangs mit Schutzsuchenden. Zuletzt forderten die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen eine Untersuchung zur Rolle griechischer Beamten bei dem dramatischen Schiffsunglück vor der griechischen Küste im Juni, bei dem mehr als 500 Menschen starben.