Dessau-Roßlau (epd). Anlässlich der Eröffnung der neu gebauten Synagoge am Sonntag in Dessau-Roßlau hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu aufgerufen, jüdisches Leben zu schützen und zu verteidigen. „Jetzt müssen wir zeigen, was unser 'Nie wieder' bedeutet“, sagte Scholz. 85 Jahre nach der Zerstörung durch die Nationalsozialisten habe die Stadt in Sachsen-Anhalt wieder ein jüdisches Gotteshaus. „Was für ein Geschenk, was für ein Glück“, sagte der Bundeskanzler.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte die neue Synagoge ein Symbol des Neuanfangs: „Aber wir müssen uns auch an die Vergangenheit erinnern, uns ihr immer wieder stellen.“ Dennoch werde der freudige Anlass von den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel überschattet, sagte Haseloff. Auch auf deutschen Straßen gewinne Antisemitismus derzeit Raum. „Jüdische Menschen müssen sich sicher fühlen, in Sachsen-Anhalt und weltweit“, forderte er.
Er erinnerte an die lange Tradition jüdischen Lebens in Dessau. Hierfür stünden Namen wie der Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) und der Komponist Kurt Weill (1900-1950): „Die neue Synagoge befindet sich genau da, wo sie hingehört, deutlich sichtbar im Zentrum der Stadt.“
Zu der Eröffnung waren rund 80 Gäste geladen, darunter der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sowie Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die hier ihren Bundestagswahlkreis hat. Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mark Dainow, sowie US-Generalkonsul John R. Crosby aus Leipzig zählten zu den Gästen.
Der Bundeskanzler ging auch auf den aktuellen Nahost-Konflikt ein. „Wir sind erschüttert, wie viele Frauen und Männer dem barbarischen Terror der Hamas zum Opfer gefallen sind“, sagte er. Deshalb werde die Bundesregierung alles tun, was in ihrer Macht stehe, um die Geiseln freizubekommen. Scholz sagte Israel die Unterstützung Deutschlands zu: „Wenn Israel Deutschland in dieser Lage um Hilfe bittet, dann helfen wir.“
Israels Botschafter Ron Prosor nannte den Neubau einen Ort voller Hoffnung und Licht. Zugleich sei der 7. Oktober, an dem die Hamas Israel angegriffen hat, der schlimmste Tag in der Geschichte Israels gewesen. „Es wird nie wieder so sein wie vorher“, sagte Prosor. Er sprach von einem „Kampf des Lichtes gegen die Dunkelheit“. Israel werde die Infrastruktur der Terroristen zerstören. Für den Krieg trage allein die Hamas die Verantwortung.
Die neue Synagoge liegt im Stadtzentrum von Dessau-Roßlau nur wenige Meter von dem Vorgängerbau entfernt, der 1908 eröffnet und in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zerstört wurde. Benannt ist der Neubau nach Kurt Weill, der im benachbarten Rabbinerhaus, auch Kantorenhaus genannt, einige Jahre seiner Kindheit verbracht hat. Sein Vater Albert wirkte hier als Kantor.
Der Neubau hat die Form einer Tora-Rolle und verfügt über 90 Plätze. 2019 wurde der Grundstein gelegt. Die Eröffnung verzögerte sich mehrfach, zudem stiegen die Kosten von 1,7 auf etwa 4,8 Millionen Euro an. Die jüdische Gemeinde hat nach eigenen Angaben aktuell rund 260 Mitglieder.