Berlin (epd). Bund und Länder ringen weiter um die richtigen Maßnahmen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Am Freitag wird es gleich zwei Spitzentreffen geben: In Frankfurt am Main beendet die Ministerpräsidentenkonferenz ihre Beratungen, aus deren Reihen Verschärfungen gefordert werden. Für Freitagabend hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Sprecher der Länderrunde sowie den CDU-Chef und Unionsfraktionsvorsitzenden im Bundestag, Friedrich Merz, zu einem Gespräch eingeladen. Der Bundesregierung geht es um ein Bündel von Maßnahmen, darunter eine striktere Abschiebepraxis.
Wichtig sei, „dass alle anerkennen, dass es nicht die einzige Maßnahme gibt, die uns dabei hilft, die irreguläre Migration zu begrenzen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in Berlin. Sie verwies neben dem am Mittwoch von ihr vorgelegten Entwurf für schärfere Abschieberegeln auf die Ausweitung der Kontrollen im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien sowie die Fortschritte bei den Verhandlungen zur EU-Asylpolitik. Sie begrüßte das Zusammenkommen in einer Runde gemeinsam mit Merz. „Keinem hilft es, wenn wir populistisch darüber streiten“, sagte Faeser.
Scholz hatte die Einladung am Mittwochabend verkündet. In den „tagesthemen“ der ARD sagte er, er wolle gemeinsam mit den Bundesländern „eine sehr umfassende Agenda umsetzen“. Scholz nannte es eine „Herausforderung, dass so viele irregulär nach Deutschland kommen“. „Die Zahlen derjenigen, die heute als Flüchtlinge kommen, sind zu hoch, vor allem wenn wir wissen, dass das eben nicht auf geordnete Weise geschieht“, sagte er.
Das Treffen ist für den frühen Freitagabend geplant. Merz hat nach Angaben der Unionsfraktion seine Teilnahme zugesagt. Am frühen Nachmittag wollen die Regierungschefinnen und -chefs ihre Beratungen in Frankfurt am Main beenden. Seit Langem gibt es Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen wegen der Aufteilung der Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Aus einigen Ländern kommen aber auch Forderung nach einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten über die Pläne der Bundesregierung hinaus, einem Umstieg auf Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber sowie nach einer Arbeitspflicht für Flüchtlinge. Die Bundesregierung will demgegenüber dafür sorgen, dass Flüchtlinge überhaupt schneller und leichter eine Arbeit aufnehmen können.
Die Rufe nach einer schärferen Asylpolitik sorgen bei der Organisation Pro Asyl für Kritik. Sie spricht von einer „weiteren Entrechtung von Geflüchteten“. „Worüber sprechen wir hier? Dass Menschen ihr Leben riskieren, auf der Flucht gefoltert und vergewaltigt werden, nur weil sie in Deutschland 400 Euro im Monat bekommen wollen“, erklärte deren flüchtlingspolitischer Sprecher Tareq Alaows.
Pro Asyl kritisierte die Abschiebepläne von Faeser als „rechtsstaatlich höchst fragwürdig“. Faeser will die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams, mit dem ein ausreisepflichtiger Ausländer festgesetzt werden kann, von zehn auf 28 Tage verlängern. Vorgesehen ist unter anderem zudem, dass Polizisten zur Durchsetzung einer Abschiebung auch andere Räume als die des Betroffenen betreten können. Zudem sollen künftig Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote ein Grund für Abschiebehaft sein sowie Ankündigungen von Abschiebungen entfallen.
Der Arbeitsmarktexperte Herbert Brücker warnte derweil vor zu hohen Erwartungen an eine schneller greifende Arbeitserlaubnis oder gar verpflichtende gemeinnützige Arbeit für Geflüchtete. „Natürlich wird die Zahl der Asylsuchenden, die eine Arbeit aufnehmen, steigen, wenn man die rechtlichen Hürden nimmt“, sagte der Leiter des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit dem epd: „Aber die Beseitigung der rechtlichen Hürden wird nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Beschäftigung führen.“