Historiker Zimmermann: Schlimmste Katastrophe in Geschichte Israels

Historiker Zimmermann: Schlimmste Katastrophe in Geschichte Israels
10.10.2023
epd
epd-Gespräch: Eva-Katharina Kingreen

München, Tel Aviv (epd). Der israelischer Historiker Moshe Zimmermann hat die rechts-religiöse Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitverantwortlich für die Hamas-Terrorangriffe gemacht. Die Taktik der israelischen Regierung sei es in den vergangenen Jahren gewesen, die Friedensverhandlungen aufzuschieben, „weil sie vor allem daran interessiert ist, die Siedlungen auszubauen“, sagte Zimmermann dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag: „Wenn man Frieden in dieser Region haben will, muss man eben über Frieden verhandeln. Wenn über Frieden nicht verhandelt wird, beginnt die Zeit der Terroristen.“

Zimmermann sieht auch die europäische und deutsche Politik in der Pflicht. Sowohl Deutschland als auch die Europäische Union hätten mehr Druck auf die israelischen Regierungen ausüben müssen, um Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde auf den Weg zu bringen, sagte der Historiker. Nun sei die Lage verfahrener als vor zehn Jahren. Dennoch müsse die deutsche Bundesregierung nun „das 'wahre' Israel“ unterstützen, sagte Zimmermann: „Also die Menschen in Israel, nicht die israelische Regierung.“ Man müsse „in Israel etwas in Bewegung bringen“, und zwar nicht durch mehr oder intensiveren Krieg.

Zimmermann sagte, der Hamas-Angriff seit Samstag mit vielen Hundert Toten und Geiseln auf israelischer Seite sei aus zionistischem Blickwinkel „die schlimmste Katastrophe“ in der Geschichte des Staates Israel: „Die zionistische Bewegung ist entstanden, um für die Juden einen sicheren Ort auf der Welt zu schaffen.“ Der Zionismus und damit auch der Staat Israel hätten in diesem Punkt angesichts der massiven Hamas-Attacken versagt. „Die Menschen realisieren das langsam, und werden es wahrscheinlich in den nächsten Wochen noch weiter tun“, erklärte der Historiker.