Hamburg (epd). Altbundespräsident Joachim Gauck wünscht sich in Deutschland angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine und der Gewalt im Nahen Osten „einen Geist der Verteidigungsbereitschaft, wie ihn der Westen zu Zeiten des Kalten Kriegs hatte“. „Wir sind heute noch nicht ausreichend bereit“, sagte Gauck dem Magazin „stern“ in einem am Dienstag in nachrichtlicher Fassung online veröffentlichten Interview.
Der 83-Jährige verwies auf den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918-2015) von der SPD: „Wir brauchen die Entschlossenheit eines Helmut Schmidt, der anders als die Mehrheit in seiner Partei - und wohl auch in der Gesellschaft - wusste: Der Gegner nimmt uns nur ernst, wenn wir entsprechend ausgerüstet sind, um ihm zu widerstehen.“ Gauck sprach von einer stärkeren „Zusammenarbeit und Kooperation derer, die einen teils offenen, teils verdeckten Kampf“ gegen den Westen führten. „Wir müssen erkennen, dass uns durch die offensive und aggressive Ablehnung des Westens eine Feindschaft aufgezwungen wird, die sich in absehbarer Zeit nicht einfach weg verhandeln lässt - so sehr wir uns das auch wünschen“, sagt der evangelische Theologe. Er forderte, „die bisherigen Strategien für den Nahen Osten und im Umgang mit Regimen, die solchen Terror unterstützen, kritisch zu hinterfragen“.
Den russischen Präsidenten Wladimir Putin nannte Gauck einen „Hardliner des imperialen antiwestlichen Denkens“. „Das zwingt uns zu einer Haltung, die andere als neuen Kalten Krieg bezeichnen. Das klingt vielleicht erstmal verstörend. Aber wir brauchen diese entschlossene Bereitschaft, unsere Demokratie, den Raum unserer Freiheit, den wir unter Mühen erkämpft haben, auch zu verteidigen“, sagte Gauck, der von 2012 bis 2017 Bundespräsident war.