Essen, Berlin (epd). Die Jobcenter in Deutschland werden laut einer aktuellen Prognose in diesem Jahr über 20 Milliarden Euro an Bürgergeld-Empfänger für Miet- und Heizkosten überweisen. Das hat eine Berechnung des Pestel-Instituts im Auftrag der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG BAU) ergeben, über die die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Dienstag Online) berichten. Das seien rund 1,8 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr (2022: 18,2 Milliarden Euro). Als Ursache für den Anstieg werden vor allem gestiegene Mietpreise genannt.
Im Schnitt wurden von Januar bis Mai monatlich 1,69 Milliarden Euro für Unterkunftskosten ausbezahlt, um Empfänger von Bürgergeld bei der Kaltmiete sowie den Heiz- und Nebenkosten zu unterstützen, wie aus der Studie des Hannoveraner Instituts hervorgeht. Das seien monatlich knapp 250 Millionen Euro mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, ein Plus von 17 Prozent, teilte die IG BAU mit. Insgesamt erhielten Anfang des Jahres nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit 5,7 Millionen Menschen in Deutschland diese Zuschüsse.
Bei den Kosten der Unterkunft, die der Staat übernimmt, handelt es sich demnach um Mieten für Wohnungen mit einfachem Standard. Die Kaltmiete für diese Wohnungen lag 2015 im Bundesdurchschnitt noch bei 5,43 Euro pro Quadratmeter. In diesem Jahr betrug sie schon 7,75 Euro (Mai 2023) und damit 43 Prozent mehr als vor acht Jahren, so das Pestel-Institut.
Die Bau-Gewerkschaft sieht als Ursache für diese Entwicklung eine über Jahrzehnte falsch gelaufene Wohnungsbaupolitik. „Es fehlen mehrere Millionen bezahlbare Wohnungen“, sagte der Bundesvorsitzende der IG BAU, Robert Feigers, den Funke-Zeitungen. Die Zahl der Sozialwohnungen gehe seit Jahrzehnten zurück. „Bund und Länder haben hier versagt“, kritisierte er. Zugleich zwinge die Notlage den Staat dazu, „bei den Sozialausgaben immer tiefer in die Tasche zu greifen“.
Um die Mietenexplosion zu stoppen, forderte der Gewerkschaftschef, den bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau vorrangig auszubauen. Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, brauchten eine Sozialwohnung, betonte er. Dasselbe gelte für Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende. Feigers schlug ein Sondervermögen vor: „Allein für den sozialen Wohnungsbau sind 50 Milliarden Euro bis zum Ende dieser Legislaturperiode notwendig.“ Nur so könne es gelingen, die 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen, die sich die Ampel-Koalition vorgenommen habe.