Wiesbaden (epd). Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hofft, dass sich die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Essener Bischof, Kardinal Franz Hengsbach, aufklären lassen. „Die Wahrheit muss auf den Tisch“, sagte Bätzing am Montag in Wiesbaden zu Beginn der Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz. Die Vorwürfe brächten auch die Bischofskonferenz in eine „schwere Situation“.
Der Limburger Bischof sagte, Betroffene sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche kämen nur zu ihrem Recht, wenn alles auf den Tisch komme. Die 64 teilnehmenden Bischöfe beraten bei ihrer bis Donnerstag dauernden Tagung auch schwerpunktmäßig über die Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch. Unter anderem soll am Dienstag ein neues Papier zum Umgang mit dem Missbrauch geistlicher Autorität vorgestellt werden.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hatte vergangene Woche „gravierende“ Missbrauchs-Vorwürfe gegen einen seiner Vorgänger Hengsbach öffentlich gemacht. Sie beziehen sich auf einen Zeitraum zwischen den 1950er und 1960er Jahren. Erste Vorwürfe waren bereits 2011 aufgetaucht. Seit vergangener Woche hätten sich weitere Betroffene beim Bistum gemeldet, sagte Overbeck am Sonntagabend im WDR.
Bätzing sagte, diese Tatsache deute darauf hin, dass sich die Vorwürfe erhärteten. Auch für ihn habe die Tatsache, dass erstmals ein deutscher Kardinal beschuldigt werde, eine neue Qualität. Er selbst könne den Fall aber noch nicht beurteilen, betonte er. Er sprach jedoch von einer tiefen Verunsicherung der Gläubigen im Bistum Essen, die durch das mutmaßlich „verbrecherische Verhalten“ enttäuscht worden seien.
Hengsbach (1910-1991) war von 1958 bis kurz vor seinem Tod 1991 Bischof von Essen, zuvor war er Weihbischof im Erzbistum Paderborn. Er ist der Gründerbischof des Ruhrbistums.
Bätzing erinnerte daran, dass vor fast fünf Jahren die sogenannte MHG-Studie veröffentlicht worden sei. Sie hatte erstmals wissenschaftliche Anhaltspunkte für das Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche geliefert.
Der Bischofskonferenz-Vorsitzende kündigte an, die Bischöfe würden sich auch mit dem System der Anerkennungsleistungen für Missbrauchsbetroffene beschäftigen. Die Bischöfe wollen über die Konsequenzen eines Kölner Schadenersatz-Urteils in Höhe von 300.000 Euro für einen Betroffenen beraten. Bätzing zeigte sich überzeugt, dass das bisherige System auch in Zukunft geeignet bleibe.
Neben der Missbrauchsaufarbeitung und -vorbeugung wollen die Bischöfe bis Donnerstag aber auch über den Fortgang des katholischen Reformprozesses beraten. Es sei das erste Mal, dass alle Bischöfe nach dem vorläufigen Ende des sogenannten Synodalen Wegs im März zusammenkämen. Unter anderem wollen die Bischöfe über die Positionen beraten, die die Deutsche Bischofskonferenz bei der in der kommenden Woche in Rom beginnenden Weltsynode einbringen wird.
Beim Synodalen Weg, dessen Vollversammlung Anfang März das letzte Mal getagt hatte, waren 15 Reformbeschlüsse gefasst worden - unter anderem zu mehr Machtkontrolle in den Bistümern und mehr Mitbestimmungsrechten für Laien etwa bei der Bischofswahl. Trotz eines Vetos von konservativen Bischöfen soll das Folge-Gremium mit Bischöfen und Laien, der sogenannte Synodale Ausschuss, Mitte November erstmals tagen, kündigte Bätzing an.