Brüssel (epd). Die meisten Geflüchteten kommen nach EU-Angaben weiter über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Europa. Es handle sich vor allem um syrische und afghanische Staatsangehörige, sagte die Sprecherin der EU-Kommission, Anitta Hipper, am Donnerstag in Brüssel. Am Dienstag hatte die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) aktuelle Zahlen vorgelegt, wonach über eine halbe Million Menschen in der ersten Jahreshälfte 2023 einen Asylantrag in den EU-Staaten sowie Norwegen und der Schweiz gestellt haben.
Obwohl die EU zuletzt sogenannte Migrationsabkommen mit Ländern wie Libyen und Tunesien geschlossen hat, die erreichen sollen, dass die beiden Länder Menschen daran hindern, nach Europa zu gelangen, steigt die Zahl der Geflüchteten demnach weiter. Der zuletzt veröffentlichte Wert ist 28 Prozent höher als die Vergleichszahl aus dem ersten Halbjahr 2022.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit langem EU-Maßnahmen wie die Abkommen mit Libyen und Tunesien. Nach ihrer Einschätzung führen sie nicht primär zu einer Verringerung von Migration, sondern eher dazu, dass die Menschen auf ihrer Flucht mehr Leid erfahren. So sehen sie eine Zunahme sogenannter Pullbacks durch die Behörden im Mittelmeer, bei denen Flüchtlinge zurück gezwungen werden, in das Land, von dem aus sie die Überquerung angetreten haben.
Auch der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament, Udo Bullmann (SPD) kritisiert die Zustände an den EU-Außengrenzen: „Die besorgniserregende Welle von Pullbacks der tunesischen und libyschen Behörden sowie von EU-Mitgliedstaaten wie Griechenland gefährdet das Leben unzähliger Migrantinnen und Migranten und führt zu schweren Misshandlungen und eklatanten Menschenrechtsverletzungen“, sagte er nach einem Treffen des Ausschusses mit dem Exekutivdirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Hans Leijtens.
Bei der Behörde sieht Bullmann eine Mitschuld an den Zuständen an den EU-Außengrenzen. Frontex müsse die Flüchtlingskonvention ebenso achten wie die Grundrechte der EU und die Europäischen Menschenrechtskonventionen, forderte er.
Kommissionssprecherin Hipper kündigte an, es gebe bereits Aktionspläne für die Regelung der Migration über die zentrale Mittelmeerroute und den West-Balkan. Ein Plan für das östliche Mittelmeer sei ebenfalls vorgesehen. Details zu den Vorhaben nannte sie allerdings nicht.
Das Mittelmeer ist eine der gefährlichsten Migrationsrouten der Welt. Laut der Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bereits mehr als 2.300 Menschen beim Versuch der Überquerung ums Leben gekommen oder sie werden vermisst. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich deutlich höher.