Kirchen: Politische Konflikte auch mit schwierigen Partnern lösen

Kirchen: Politische Konflikte auch mit schwierigen Partnern lösen
Die Kirchen sehen mangelnde Kenntnisse über die Ethnien und Religion als einen Grund für das Scheitern in Afghanistan. Ihre Schlussfolgerungen zum Bundeswehreinsatz übergaben sie am Mittwoch an die Enquete-Kommission des Bundestags.

Berlin (epd). Bei der politischen Konfliktlösung sollten nach Ansicht der Kirchen „auch schwierige Verhandlungspartner“ wie etwa die Taliban in Afghanistan eingebunden werden. Das ist eine der Schlussfolgerungen im Beitrag der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), den die evangelische Vorsitzende, Prälatin Anne Gidion, und der katholische Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten, am Mittwoch in Berlin an den Vorsitzenden der Enquete-Kommission des Bundestages zu den Lehren aus Afghanistan, Michael Müller (SPD), übergaben. Demnach ist der 20-jährige Einsatz am Hindukusch an unrealistischen Zielen, unzureichender Strategie, systematischer Unehrlichkeit und mangelndem Wissen über die afghanische Gesellschaft gescheitert.

Der Bundestag hatte vor einem Jahr die Einsetzung der Kommission beschlossen, die den Einsatz am Hindukusch analysieren und Lehren für die Zukunft militärischer Einsätze ziehen soll. Dem Gremium gehören Abgeordnete und Sachverständige an. Müller sagte, die Fachleute seien sich heute einig, dass der Ausschluss der Taliban von der Petersberger Konferenz im Jahr 2001 der „Anfangsfehler“ gewesen sei. Die politischen Gespräche hätten nicht widergespiegelt, welche Entscheidungs- und Machtstrukturen es im Land gebe. Im Rückblick könne man also sagen: „Ja, Kurt Beck hatte recht“, fügte er mit Blick auf den früheren SPD-Chef hinzu, der 2007 mit seinem Vorschlag, gemäßigte Taliban an den Verhandlungstisch zu holen, Spott und Häme auf sich zog.

Gidion erinnerte daran, dass diese Forderung auch im kirchlichen Raum gestellt worden sei. Das wurde ihren Worten nach „stark verlacht“ und als Naivität gesehen. In dem 20-seitigen Beitrag heißt es nun: „Zu den größten Fehlern gehörte die Gleichsetzung der Taliban mit anderen islamistischen Gruppierungen.“ In dem von den USA angeführten Krieg gegen den Terror sei nicht zwischen Taliban, Al-Kaida und später dem „Islamischen Staat“ (IS) unterschieden worden. Daher wurden die Taliban demnach nicht an der Konfliktlösung und dem Neuaufbau des Landes beteiligt. Eine weitere Fehleinschätzung sei gewesen, dass der Rückhalt der Taliban in der afghanischen Bevölkerung unterschätzt wurde.

Mit Blick auf die Entwicklungshilfe heißt es, dass trotz einiger Teilerfolge „mit sehr viel Geld vergleichsweise wenig erreicht wurde“. Rückblickend stelle sich die grundsätzliche Frage, wie effektiv Entwicklungsarbeit sein könne, wenn sie gleichzeitig mit dem militärischen Einsatz und der Terrorbekämpfung erfolge und die Mittel an die afghanische Regierung und ihre Behörden gingen.

Kritik äußerten die Kirchen am Fehlen „einer klaren Benennung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen“. Im Beitrag mit dem Titel „Ehrlichkeit ist das Gebot der Stunde“ heißt es: „Mandate blieben abstrakt, realistische Lagebilder wurden weichgezeichnet und geschönt, Personal- und Mitteleinsatz für einen erfolgreichen Einsatz unterschätzt“.

Auch die eigene Rolle wird kritisch beleuchtet. „Es hat Jahre gedauert, bis auch die Kirchen und die politisch Verantwortlichen gemerkt haben, was für eine Belastung der Einsatz in Afghanistan für die Menschen und ihre Familien bedeutet“, heißt es. Die beiden großen Kirchen müssten sich zudem fragen, ob sie „mit der Vielstimmigkeit und teilweisen Widersprüchlichkeit der Äußerungen“ genug Orientierung in der öffentlichen Debatte angeboten hätten.

Jüsten warb derweil mit Blick auf die Ukraine dafür, kirchliche Möglichkeiten auch in aktuellen Konflikten stärker zu nutzen. Es komme immer wieder vor, dass bei Anrufen aus dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium gefragt werde, „könnt ihr nicht Brücken begehen, die wir nicht begehen können?“ Ohne Chefdiplomatin Annalena Baerbock (Grüne) zu nennen, fügte er hinzu, das könne die Ministerin auch jetzt schon tun. Da sei noch „viel Luft nach oben“.