Brüssel, Berlin (epd). Neun Jahre nach dem Überfall der Terrormiliz „Islamischer Staat“ auf die Jesiden im Nordirak dringen Vertreter der Bundesregierung und der Europäischen Union auf einen Wiederaufbau der bis heute zerstörten Sindschar-Region. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte am Donnerstag in Brüssel mit Blick auf die Heimat der jesidischen Gemeinschaft, viele Vertriebene könnten nicht in ihre Häuser zurückkehren, der Zugang zur Grundversorgung sei eingeschränkt und die Sicherheitslage weiter instabil. Der Beauftragte der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), versprach den weiteren Einsatz dafür, dass Jesidinnen und Jesiden „eine Zukunftsperspektive haben und in ihre Heimat zurückkehren können“.
Am 3. August 2014 kamen IS-Kämpfer in die jesidischen Dörfer, mit dem Ziel, die religiöse Minderheit auszulöschen. Tausende Frauen und Kinder wurden verschleppt, Männer wurden getötet. Hunderttausende Menschen mussten fliehen. Am Nachmittag sollte in Mainz bei einer Gedenkveranstaltung an den Völkermord erinnert werden.
Im vergangenen Januar erkannte auch der Bundestag die Gräueltaten des IS an den Jesiden als Genozid an. Etwa 2.700 Jesidinnen befinden sich Schätzungen zufolge noch immer in der Gewalt von Islamisten in der Region. Iranische und kurdische Milizen sowie Minen und Blindgänger machen indes die großteils noch zerstörten Ortschaften der Sindschar-Region unsicher. Daher ist für zahlreiche Angehörige der Minderheit an eine Rückkehr nicht zu denken.
Borrell appellierte an die irakische Regierung in Bagdad sowie an die Regierung der nördlichen Autonomieregion Kurdistan, das Sindschar-Abkommen weiter umzusetzen. Der Pakt wurde auf Vermittlung der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) vereinbart. Er soll die Bedingungen für den Wiederaufbau und die Rückkehr von Vertriebenen ermöglichen. So sollen etwa ein neuer Bürgermeister ernannt und 2.500 Mitarbeiter für das örtliche Sicherheitspersonal eingestellt werden. Der EU-Außenbeauftragte monierte zugleich, dass es jüngst wieder zu Hassreden gegen die Gemeinschaft gekommen sei, was die EU verurteile.
Der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Schwabe, versicherte anlässlich des 9. Jahrestags des Völkermords: „Deutschland wird alles dafür tun, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“ Auch setze sich die Bundesregierung für eine angemessene Entschädigung der Opfer ein.
Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Sie nahm Glaubenselemente, Riten und Gebräuche westiranischer und altmesopotamischer Religionen sowie von Juden, Christen und Muslimen auf. Angehörige der Minderheit glauben an Seelenwanderung und Wiedergeburt, besonders verehrt wird der „Engel Pfau“ (Tausi Melek). Die Gemeinschaft selbst schreibt sich „Êzîden“.