Berlin (epd). Nach einer Gerichtsentscheidung zur neuen Wahlordnung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin spricht der Vorstand von einem „massiven Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht“ der jüdischen Gemeinden. Die Berliner Gemeinde werde sich „diesem offensichtlichen Rechtsbruch nicht beugen und für die Souveränität der Gemeinden kämpfen“, heißt es in einer am Montag im Internet veröffentlichten Erklärung. Der Beschluss des Gerichtes beim Zentralrat der Juden in Deutschland sei wegen fehlender Zuständigkeit „offensichtlich unzulässig und zudem auch inhaltlich völlig unbegründet“.
Das Gericht hatte in einem Eilverfahren die Durchführung der geplanten Repräsentantenwahlen in der Gemeinde am 3. September vorläufig untersagt. In dem Beschluss, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, wird die Gemeinde zugleich verpflichtet, die Wahlen bis zum 5. Dezember dieses Jahres nach der alten Wahlordnung durchzuführen, sollte bis dahin im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens kein endgültiger Gerichtsbeschluss vorliegen.
Der Gemeindevorstand erwiderte, „wir erkennen ausschließlich die Entscheidungen des satzungsrechtlich hierzu befugten, kompetenten Berliner Schiedsausschusses als legitim an“. In der Berliner Gemeinde existiere schon immer ein eigenes Schiedsgericht, welches über alle relevanten Belange der Gemeinde entscheidet. Für etwaige Beanstandungen der demokratisch verabschiedeten Wahlordnung wäre damit ausschließlich das Schiedsgericht der Gemeinde zuständig. Die Wahl werde demnach „ordnungsgemäß fortgesetzt“. Das Gericht sieht den Schiedsausschuss der Gemeinde allerdings in diesem Fall als nicht zuständig an.
Gegen die umstrittene neue Wahlordnung hatte unter anderem die frühere Gemeindevorsitzende Lala Süsskind geklagt. Sie argumentiert, die neue Wahlordnung verletze sie in ihren Rechten.
Die 77-Jährige will für das Gemeindeparlament, die Repräsentantenversammlung, kandidieren. Laut neuer Wahlordnung gilt für Kandidaten aber eine Altersgrenze von 70 Jahren. Überdies dürfen sie keinen anderen jüdischen Organisationen wie beispielsweise dem Zentralrat oder dem Sportclub Makkabi angehören. Zudem soll es nur noch eine Briefwahl geben.
Die Gemeinde begründet die Wahlrechtsreform mit der geringen Anzahl an Bewerbern bei der vergangenen Repräsentantenwahl 2019 und der dringend notwendigen Nachwuchsgewinnung für die Gemeindeleitung in einer überalterten Gemeinde. Mit der neuen Wahlordnung sollten geeignete Personen zur Kandidatur bewegt und die Wahlbeteiligung erhöht werden, sagte der Gemeindevorsitzende, Gideon Joffe. Zum Ausschluss der Mitgliedschaft in anderen jüdischen Organisationen sagte er: „Wir wollen im Gemeindeparlament keine Diener zweier Herren.“
Der Zentralrat der Juden wollte die Entscheidung des Gerichtes nicht kommentieren und betonte zugleich dessen Unabhängigkeit. Den Prozessparteien stehe es offen, eine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren herbeizuführen, sagte ein Sprecher am Dienstag dem epd. Die satzungsgemäße Autonomie gewährleiste Jüdischen Gemeinden allerdings keinen rechtsfreien Raum.