Proteste in Kenia: "Junge Menschen fühlen sich wertlos"

Proteste in Kenia: "Junge Menschen fühlen sich wertlos"
21.07.2023
epd
epd-Gespräch: Birte Mensing

Nairobi (epd). Die Unzufriedenheit junger Menschen in Kenia ist laut der Soziologin Nerima Wako Antrieb für die aktuellen Proteste gegen die Regierung. Die Jungen fühlten sich von der Politik nicht erst genommen und gingen auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen, sagte die Leiterin der Organisation für Politikvermittlung „Siasa Place“ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Regierung halte die Bevölkerung dazu an, mit ihrem wenigen Geld auszukommen, während die Gehälter der Regierungsmitglieder erhöht würden und Korruption nicht strafrechtlich verfolgt werde. „Die jungen Menschen bekommen das Gefühl, nichts wert zu sein.“

Das Verbot der Proteste durch die Regierung hält Wako für problematisch. Es hindere Menschen daran, ihr demokratisches Recht auszuüben. Gleichzeitig sei es ein Vorwand, um brutaler gegen die Demonstrierenden vorzugehen. „Die Polizei wird nicht eingesetzt, um Menschen zu schützen, sondern zum Schutz der Interessen der Regierung“, sagte Wako. Dabei verwendeten die Sicherheitskräfte nicht nur Wasserwerfer und Tränengas, sondern schössen auch auf Demonstrierende.

In den Slums, wo die Proteste am größten sind, leben vor allem junge Menschen, junge Familien, die besonders unter der schlechten wirtschaftlichen Situation leiden und sich oft nur noch eine Mahlzeit am Tag leisten können. „Die Mehrheit der Demonstrierenden will gesehen und gehört werden“, sagt die 33-Jährige. Nur einige wenige seien es, die ihre Wut in Vandalismus auslebten.

Nerima Wako hat „Siasa Place“ 2015 gegründet, um mehr junge Menschen in die Politik zu bringen. Denn bisher ist die Rolle von jungen Menschen in der kenianischen Politik die an der Basis - sie mobilisieren, gehen zu Veranstaltungen, informieren in den sozialen Netzwerken. Nur wenige unter 35 Jahren schaffen es in Positionen mit politischer Verantwortung. Das ändere sich nur langsam, bedauert Wako. „Das Durchschnittsalter in Kenia ist 19 Jahre, die Interessen des Großteils der Bevölkerung sind im politischen System zu wenig vertreten.“

Andere Wege, um einen Wandel in der Politik zu erreichen - wie öffentliche Petitionen und Klagen gegen Gesetze - seien oft teuer und kompliziert und damit für junge Menschen kaum zugänglich, erläutert Wako. Deshalb entschieden sich in Kenia gerade Tag für Tag Menschen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Seit Jahresbeginn sind bereits mehr als 20 Menschen bei Protesten von der Polizei getötet worden.

Oppositionsführer Raila Odinga hat von Mittwoch bis Freitag in ganz Kenia zu Protesten gegen die steigenden Lebenshaltungskosten aufgerufen. Er war im vergangenen Jahr zum sechsten Mal zur Präsidentschaftswahl angetreten und dem nun amtierenden Präsidenten William Ruto unterlegen. Ruto versprach im Wahlkampf, die Lebensbedingungen für die Unterschicht zu verbessern. Doch die Preise steigen weiter, geplante Steuern würden die Armen weiter belasten.