Bonn (epd). Mehr als eine halbe Million Menschen sind im vergangenen Jahr aus der katholischen Kirche ausgetreten. Wie die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch in Bonn mitteilte, stieg die Zahl der Kirchenaustritte auf 522.821. Im Vorjahr war bereits mit 359.338 Kirchenaustritten ein vorläufiger Rekord erreicht worden. Insgesamt verlor die katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2022 mehr als 700.000 Mitglieder.
In Deutschland gehörten 2022 noch knapp 20,9 Millionen Menschen der Kirche an, das entspricht 24,8 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl der Taufen und Eintritte konnte den Mitgliederschwund nicht aufhalten: Zwar stieg die Zahl der Taufen mit 155.173 im Vergleich zum Vorjahr, doch diese Entwicklung konnte Sterbefälle und Austritte nicht aufwiegen. Die Zahl der Eintritte lag laut Mitteilung bei 1.447, die Zahl der Wiederaufnahmen bei 3.753.
Der Limburger Bischof, Georg Bätzing, der auch Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist, sprach von „alarmierenden Zahlen“. „Wir können und wollen die Augen nicht vor dieser Entwicklung verschließen“, sagte er laut Mitteilung seines Bistums. Der Bischof warnte indes vor Resignation. Die hohen Austrittszahlen schmerzten, und er wisse, wie sehr sich Ehren- und Hauptamtliche in Pfarreien, Einrichtungen, Verbänden, Kitas, Schulen und der Caritas für andere einsetzten. „Lassen Sie sich nicht entmutigen“, sagte er.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte, sie sei traurig, aber auch wenig überrascht. Die Kirche habe Vertrauen verspielt, besonders durch den Missbrauchsskandal. „Sie zeigt sich aber aktuell auch nicht entschlossen genug, Visionen für eine Zukunft des Christseins in der Kirche umzusetzen“, sagte die Präsidentin der Laienorganisation.
Unter den 27 Bistümern im Bereich der Bischofskonferenz waren die Erzbistümer Köln, München sowie Berlin prozentual besonders von Kirchenaustritten betroffen. Insgesamt lag die Austrittsrate für alle Bistümer bei 2,4 Prozent, was eine extreme Steigerung von 0,8 Prozentpunkten ausmachte. In Berlin und München lag die Rate bei über drei Prozent, in Köln bei 2,8 Prozent. Im Erzbistum Köln steht Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki verstärkt in der Kritik wegen seiner Blockadehaltung in Bezug auf Kirchenreformen. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln wegen Meineids gegen ihn.
Im Erzbistum München war Anfang vergangenen Jahres ein Gutachten veröffentlicht worden, das der Bistumsleitung über Jahrzehnte erhebliche Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsfällen attestierte. Auch dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. und früheren Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, der an Silvester gestorben war, wurden darin Vorwürfe gemacht.
Insgesamt waren 2022 in Deutschland noch 47,5 Prozent der Bevölkerung Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche. Dieser Anteil sank weiter, nachdem er zum Stichtag 31.12.2021 erstmals unter die 50-Prozent-Marke gefallen war. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte bereits im März ihre Statistik veröffentlicht. Sie verlor im vergangenen Jahr 575.000 Mitglieder, damit gehörten ihr noch 19,1 Millionen Deutsche an.