Braunschweig (epd). Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, hat davor gewarnt, sich auf ein „Schönwetter-Gesundheitssystem“ zu verlassen. Die Corona-Pandemie habe fundamentale Probleme der Gesundheitsversorgung offenbart, sagte Reimann im Gespräch mit den „Evangelischen Perspektiven“, dem Magazin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Zugleich wirke sich die Pandemie-Zeit noch immer massiv auf die finanzielle Situation der Kranken- und Pflegeversicherung aus. Die Rücklagen der Krankenkassen seien aufgezehrt, die Pflegeversicherung sei auf Kosten von fünf bis sechs Milliarden Euro sitzen geblieben.
„Die Tatsache, dass wir aus der Not heraus viel Geld fürs Impfen und Impfstoffe gezahlt haben, hat jetzt ein Nachspiel. Denn das hohe Preisniveau zieht sich nun in die postpandemische Zeit hinein“, betonte Reimann. Auch nach wie vor beeinträchtigte Lieferketten und damit verbundene Medikamentenengpässe seien Preistreiber. Eine vielfach geforderte Rückverlagerung der pharmazeutischen Grundstoffproduktion nach Europa nehme Jahre in Anspruch und mildere das Problem erst langfristig.
Niedersachsens frühere Gesundheitsmeisterin sprach sich für eine Bündelung der Kräfte im Gesundheitssystem aus, etwa durch weitere Zusammenlegungen von Kliniken. Dies sei eine Chance, selbst in vom Fachkräftemangel geprägten Zeiten eine hohe Versorgungsqualität zu sichern.
Als Beispiel nannte Reimann Onkologische Zentren, in denen die Prognosen für Patienten weitaus günstiger seien als in kleineren Häusern. „Alle haben immer Angst, dass das nächstgelegene Krankenhaus dichtmacht. Aber für Menschen mit ernsten Erkrankungen ist es oft viel besser, 50 oder 70 Kilometer weiter in ein Zentrum gefahren zu werden, wo sie wesentlich besser behandelt werden“, sagte die AOK-Chefin.