"Benzo"-Welle: Jugenddrogenberater warnt vor Sucht auf Rezept

"Benzo"-Welle: Jugenddrogenberater warnt vor Sucht auf Rezept
22.06.2023
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell

Leipzig (epd). Der Leipziger Jugenddrogenberater Matthias Rost registriert gerade eine steigende Fallzahl von Medikamentenmissbrauch vor allem im Zusammenhang mit Benzodiazepinen. „Wir haben momentan eine Welle“, warnte der Sozialpädagoge der diakonischen Drogenberatungsstelle „K(L)ICK“ im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Suchtpotenzial der rezeptpflichtigen Beruhigungs- und Schlafmittel, von Jugendlichen oft kurz „Benzos“ genannt, sei erheblich.

„Wenn die Welt wie gerade jetzt unsicherer wird, werden mehr Drogen genommen, die beruhigen, die runterbringen, die Angst lösen, so wie Benzodiazepine“, erläuterte Rost. Viele Konsumenten sagten, sie spürten beim Gebrauch von Benzos eine Sorglosigkeit: „Alle Unsicherheiten sind weg, man ist mit sich für den Moment komplett im Reinen, einfach in Watte gepackt.“

Oft würden Benzodiazepine mit anderen Substanzen kombiniert. „Nur Benzos nehmen, das gibt es kaum, da werden verschiedene Drogen austariert, um Emotionen zu verstärken oder loszuwerden, Upper und Downer - was bei einem Entzug ein zusätzliches Problem ist.“

Der Entzug werde von Konsumenten als schlimmer beschrieben als bei anderen Drogen. „Das Kreislaufsystem wird massiv belastet, wenn die Substanz wegfällt. Die ganze Hirnchemie wird ja von Benzos beeinflusst. Wenn ich da beim Entzug plötzlich die Bremse bei der Emotionssteuerung löse, können Psychosen und überschießende Emotionen auftreten“, sagte Rost. Das müsse klinisch überwacht werden.

Verbote und strengere Regulierungen über Betäubungsmittel-Rezepte können Rost zufolge zwar den Markt eindämmen, sind seiner Einschätzung nach aber nicht der einzige Lösungsweg. „Das Rankommen ist in der Drogenszene noch nie ein Problem gewesen.“ Erfolgversprechender seien Psychotherapien, die aber gerade bei teils jahrelangen Wartezeiten Mangelware seien. „Und was die Prävention angeht: Da geht es um Begleitung, darum, den Umgang mit Emotionen, mit mir selber und meinen speziellen Problemen zu lernen, um Konfliktfähigkeit.“ Das sei viel Arbeit von Schulen und vor allem von Eltern.