Aachen, Köln (epd). Nach Protestankündigungen hat der Aachener Bischof Helmut Dieser am Sonntag einen Pilgergottesdienst ohne den ursprünglich eingeladenen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gefeiert. Er wolle eine Situation vermeiden, die „absehbar nicht mehr erwarten lässt, dass eine geistlich verbindende Atmosphäre“ in der Pilgermesse der Heiligtumsfahrt herrsche, erklärte Dieser den Schritt am Samstagabend. Die beiden katholischen Geistlichen hätten die Entscheidung gemeinsam getroffen.
Zuvor hatten verschiedene Gruppen Kritik an Woelkis Umgang mit der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln geübt und Proteste angekündigt. Laut den „Aachener Nachrichten“ diskutierten etwa die Mitglieder Mädchenchors des Aachener Doms darüber, ob sie in Woelkis Anwesenheit bei der Messe singen wollten oder nicht.
Kardinal Woelki kritisierte in einem Videostatement, bei allem Protest dürfe „die heilige Eucharistie von niemandem instrumentalisiert“ werden für eigene Ziele. Er sei davon überzeugt, dass es unter Christen möglich sein müsse, trotz unterschiedlicher Auffassungen gemeinsam die Eucharistie zu feiern. Katholisch sein bedeute unter anderem, „sich bei allen Unterschieden gemeinsam auszuhalten“, sagte Woelki. Das gelte auch bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Prävention, Aufklärung und Aufarbeitung seien ihm „ein Herzensanliegen“. Betroffene müssten vor weltlichen Gerichten wie auch in der Kirche zu ihrem Recht kommen.
Die Kölner Bistumsleitung unter Woelki steht wegen des Umgangs mit der Aufarbeitung von Missbrauchstaten Geistlicher in der Kritik. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt zudem gegen ihn wegen des Anfangsverdachts möglicher Falschaussage unter Eid. Der Papst hatte 2021 Gutachter ins Erzbistum geschickt, um die Situation dort zu überprüfen. Anschließend hatte er Woelki eine Auszeit verordnet, die Anfang März 2022 endete. Der Kardinal nahm seine Amtsgeschäfte wieder auf und reichte zugleich ein Rücktrittsgesuch ein. Der Papstes hat dazu bisher keine Entscheidung verkündet.
Die Heiligtumsfahrt findet seit 1349 statt und lädt Gläubige nach Aachen ein, um die im Dom befindlichen Heiligtümer zu verehren. Die Veranstaltung soll den Teilnehmern dazu dienen, Christus und den Glauben neu zu entdecken. Die Tuchreliquien werden normalerweise alle sieben Jahre aus dem Marienschrein des Doms entnommen und verehrt. Aufgrund der Corona-Pandemie musste der reguläre Rhythmus unterbrochen werden. Statt 2021 findet die Wallfahrt nun in diesem Jahr statt.