Berlin (epd). Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat 2022 laut einem Zeitungsbericht deutlich zugenommen. Bundesweit seien 179.179 Opfer und damit 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr polizeilich registriert worden, berichtet die „Welt am Sonntag“ und Berufung auf eigene Recherchen bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer. Zwei Drittel der Opfer seien Frauen.
Im Vergleich der Bundesländer verzeichne das Saarland mit 19,7 Prozent (3.178 Opfer) den stärksten Zuwachs. Dahinter folgten nach Angaben der Zeitung Thüringen (plus 18,1 Prozent, 3.812 Opfer) und Baden-Württemberg (plus 13,1 Prozent, 14.969 Opfer). Insgesamt hätten 15 Bundesländer deutlich mehr Opfer gemeldet. Deren Zahl sei lediglich im Land Bremen gesunken (minus 13,6 Prozent, 2.615 Opfer). Nordrhein-Westfalen weise 37.141 Opfer (plus 8,5 Prozent) aus.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte der Zeitung, die Scham- und Schuldgefühle der Betroffenen führten häufig dazu, dass die Taten im Dunkeln blieben und nur selten polizeilich angezeigt würden. „Dieses Dunkelfeld ist ungleich größer als das Hellfeld“, so Paus. Um hier einen besseren Einblick zu erhalten, lässt ihr Ministerium zusammen mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundeskriminalamt derzeit eine sogenannte Dunkelfeldstudie erstellen.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert indes mehr Kontrollen der Polizei, wenn diese Täter nach gewaltsamen Übergriffen aus der Wohnung verwiesen hat. „Das muss konsequent kontrolliert werden, damit Täter nicht schnell wieder zurückkehren“, sagte Faeser der „Welt am Sonntag“.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte der Zeitung, finanzielle und gesundheitliche Sorgen, räumliche Enge und Unsicherheit über die Zukunft während der Corona-Pandemie hätten „als eine Art Brandbeschleuniger für Gewalt in Partnerschaft und Familie gewirkt“. Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie, erklärte, ein Grund für den Anstieg könne sein, dass das Bewusstsein für häusliche Gewalt insgesamt gestiegen sei und nach den unsicheren Jahren der Pandemie und Frauen jetzt eher Fälle von Gewalt anzeigten.