Genf, Athen (epd). Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) haben die EU nach der jüngsten Bootstragödie vor Griechenland mit vermutlich Hunderten Toten zu entschlossenem Handeln aufgerufen. Weitere Todesfälle wie bei dem schlimmsten Unglück im Mittelmeer seit mehreren Jahren müssten verhindert werden, verlangten das UNHCR und die IOM am Freitag in Genf. Das Fischerboot mit bis zu 750 Flüchtlingen an Bord war am Mittwoch westlich der Halbinsel Peloponnes gekentert. Etwa 100 Überlebende wurden gerettet und bislang rund 80 Leichen geborgen.
Die EU müsse Sicherheit und Solidarität in den Mittelpunkt ihres Handelns im Mittelmeerraum stellen. Dazu gehöre die Einrichtung eines regionalen Ausschiffungs- und Umverteilungsmechanismus für Menschen, die auf dem Seeweg ankommen, sagte Gillian Triggs, stellvertretende UNHCR-Hochkommissarin für Schutz.
Es sei klar, dass der derzeitige Ansatz der EU für das Mittelmeer nicht funktioniere, sagte Federico Soda, IOM-Direktor für Notfälle. Jahr für Jahr sei das Meer zwischen Europa und Afrika die gefährlichste Migrationsroute der Welt mit der höchsten Todesrate. Die Staaten müssten sich zusammentun und die Lücken bei der aktiven Suche und Rettung sowie den sicheren Wegen schließen. Bei diesen gemeinsamen Bemühungen sollten die Rechte der Migranten und die Rettung von Menschenleben im Mittelpunkt stehen. Laut IOM sind in diesem Jahr bereits etwa 1.300 Menscn bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen oder werden vermisst.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex gab derweil bekannt, dass sich die irreguläre Migration über das zentrale Mittelmeer in diesem Jahr mehr als verdoppelt hat. Über 50.300 Männer, Frauen und Kinder hätten die EU von Januar bis Mai über diese Route und ohne Einreiseerlaubnis erreicht, teilte Frontex am Freitag mit. Das sei ein Anstieg um 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und die höchste erfasste Zahl seit 2017. Das zentrale Mittelmeer bleibe damit die Hauptroute für Migrantinnen und Migranten in die EU.
Nach Angaben des Frontex-Chefs Hans Leijtens wusste seine Behörde seit Dienstag von dem überfüllten Fischerboot vor der griechischen Küste. Frontex habe es den griechischen Behörden gemeldet, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) . Menschenrechts- und Seenotrettungsorganisationen machen die EU und Frontex aufgrund ihrer Abschottungspolitik mitverantwortlich für den Tod der Menschen. In der griechischen Hauptstadt Athen gingen am Donnerstag Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die griechische und europäische Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. Für die kommenden Tage sind europaweit Protestaktionen geplant.
Unterdessen sollten die am Donnerstag festgenommenen Besatzungsmitglieder des gekenterten Fischerbootes bis Montag eine Aussage machen. Die neun Männer, die nach Medienberichten aus Ägypten stammen, würden des Schleusertums verdächtigt und wegen der Bildung einer kriminellen Organisation angeklagt, berichtete die griechische Zeitung „Kathimerini“ am Freitag in ihrer Online-Ausgabe. Sie hätten um Zeit bis Montag gebeten, um ihre Aussage vorzubereiten. Acht des Festgenommenen befinden sich dem Bericht zufolge in der Polizeistation der Hafenstadt Kalamata, einer im lokalen Krankenhaus.