Köln (epd). Familien in Deutschland müssen für ihre Kinder unterschiedliche Distanzen und Fahrtzeiten zu Kita oder Grundschule in Kauf nehmen, wenn diese zu Fuß nicht erreichbar sind. Eine am Donnerstag vorgelegte Untersuchung samt einer interaktiven Karte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zeigt, dass vor allem in ländlichen Regionen Eltern vergleichsweise lange brauchen, um ihre Kinder in die Betreuung oder Schule zu bringen. In Ostdeutschland fällt der Weg besonders lang aus.
Für die Schulen wurden nach IW-Angaben die amtlich abrufbaren Adressen von 15.629 Grundschulen in Deutschland verwendet. Die Standorte der Kitas in Deutschland wurden im November und Dezember 2022 anhand bereinigter Daten des Google-Maps-Dienstes „Places API“ identifiziert. In die Datengrundlage wurden so 56.233 Kitas einbezogen. Die Zeiten entsprechen der PKW-Fahrzeit in Minuten, in der 95 Prozent der Kinder zwischen null und zehn Jahren in einer Gemeinde eine Einrichtung erreichen können.
In den meisten Gemeinden geht das schnell: 95 Prozent der Kinder in Deutschland können der Erhebung zufolge die nächstgelegene Grundschule in weniger als sieben Minuten erreichen. Die Orte, in denen die Anfahrt länger als 15 Minuten dauert, machen nur zwei Prozent aller Gemeinden aus. Sie liegen vor allem auf dem Land. Wer etwa in den Gemeinden der Mecklenburgischen Seenplatte lebt, muss für den Weg in die Grundschule über 20 oder sogar 30 Minuten in Kauf nehmen. In einer Großstadt wie Berlin sind es für die allermeisten weniger als vier Minuten.
Bei den Kitas zeige sich ein ähnliches Bild, hieß es. Nur in fünf Prozent der Gemeinden sei die Fahrzeit länger als fünf Minuten. Auch hier schnitten die Gebiete im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern besonders schlecht ab. Dort erreichten 95 Prozent der Kinder die nächste Einrichtung in acht Minuten. Auch in den ländlichen Regionen Niederbayerns und der Oberpfalz dauere es deutlich länger als im Durchschnitt.
Ergänzt wurde die Erhebung um Angaben aus einer repräsentativen Befragung von 4.899 Personen zu Kitaplätzen, Wartezeiten und Erreichbarkeit, wie das IW erläuterte. Demnach ist mehr als jeder dritte Befragte unzufrieden mit seiner kommunalen Versorgung. Besonders groß sei der Unmut in kleineren Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern. Hier seien 43 Prozent unzufrieden, in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern 30 Prozent.
Aus Sicht des IW stehen gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem Spiel. Kinder-Betreuungsplätze seien für Eltern in Deutschland immer noch keine Selbstverständlichkeit, hieß es. „Sind sie dann nur mit langen Anfahrtswegen erreichbar, werden die Lebensverhältnisse vor Ort als ungleich wahrgenommen“, erklärt Ökonom Matthias Diermeier.