Ilka und Kilian Hennes haben sich am Mittwoch in eine Bank der Sebalduskirche in Nürnberg gesetzt. Sie sind aus dem nordrhein-westfälischen Iserlohn einen Tag früher zum Kirchentag gefahren, haben ihren Camper auf einem Campingplatz abgestellt und wollen sich orientieren. "Wir sind so herzlich empfangen worden", schwärmt Ilka: "Wer nach dem Weg gefragt wird, ist stolz, dass er Auskunft geben kann." Von der "herben Sprache und robusten Freundlichkeit" der Franken und der Gastgeberstadt des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages hat ihr Mann zuvor gehört.
Auch Bert Tharau aus Aachen ist schon einen Tag zuvor in die Nürnberger Innenstadt gekommen, um sich ein schriftliches Programm abzuholen. "Denn mit der App krieg' ich einen Fön", sagt er. Der Senior ist nicht der Einzige, der ein Programm als gebundenes Heft haben möchte. Das ist etwa bei Jörg Kirchner aus Stuttgart erhältlich, der zum Organisationsteam "Feuerwehr" gehört. Das nimmt im Kultur-Quartier direkt vor dem Hauptbahnhof den Kirchentagsgästen gleich nach der Ankunft die ersten kleinen und großen Sorgen ab.
Er steht vor den Schachteln mit dem gedruckten Programmen, versucht aber doch den meist älteren Leuten die Vorteile des Handys und der QR-Codes zu erklären. Ältere Menschen, schon "über die Lebensmitte hinaus", seien die eine große Gruppe der Kirchentagsbesucher, sagt der kaufmännische Vorstand des Kirchentags, Stephan Menzel. Auf der anderen Seite sind es die Konfirmanden- und Jugendgruppen, die nach Nürnberg gekommen sind.
60.000 Tickets sind schon verkauft, ob die erwartete Gästezahl von 100.000 Besucherinnen und Besuchern erreicht wird, dazu wagt am Mittwoch noch keiner der Verantwortlichen eine Prognose. Holger Wiedemeyer aus Radebeul bei Dresden hat es ebenfalls mit den ersten Besuchern des Protestanten-Treffens zu tun. Der Betreuer des Kirchentags-Fanshops muss gerade aber noch viele "Kunden" vertrösten: "Den Kirchentags-Schal gibt es ab 16 Uhr."
Mit Rucksack und Wandersandalen
Auf dem Lorenzer Platz wuselt es immer mehr. Besucher, die zum Kirchentag gekommen sind, lassen sich an den Wandersandalen und kleinen praktischen Rucksäcken erkennen. Das "Kirchentagsfeeling" hat der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) bereits gespürt, wie er bei der Auftaktpressekonferenz feststellt. Er freue sich auf einen "Wohlfühltermin", bei dem es aber auch um unbequeme Fragen gehen solle. Nach der Coronazeit könne das große Ereignis ein "Aufbruchssignal senden", fügt er hinzu.
"Ein tolles Gemeinschaftsgefühl" empfindet Anselm Rothe aus Berlin, der als Fahrradkurier des Kirchentags gerade eine Lieferung von Materialien zur Lorenzkirche gebracht hat. Sein Bruder und ein Freund hätten ihn zum Kirchentagseinsatz gebracht, erzählt der junge Mann und bereut das bisher nicht: "Hier ist eine sehr gute Stimmung", stellt er fest.
Auch in die Lorenzkirche haben sich viele Kirchentagsbesucher hineintreiben lassen, um in Ruhe das Programm zu studieren und Pläne für die kommenden Tage zu machen. "Man nimmt sich ja immer viel zu viel vor", seufzt Sibylle aus Bremen.
Zehn Jugendliche in schwarzen T-Shirts kommen in die Kirche und gehen schnellen Schritts in den Hallenchor. Ist das ein Flashmob, fragen sich Anwesende. Aber die jungen Männer sind Sänger des Dresdner Kreuzchors, die einen Choral anstimmen. Ihre Kursfahrt führt die Jungen des evangelischen Kreuzgymnasiums Dresden nach Nürnberg, erzählt Schüler Mateo Merrle. Ganz unerwartet kommen die Menschen in der Lorenzkirche in den Genuss eines Konzerts. Solche Überraschungen werden beim Kirchentag in den nächsten Tagen wohl immer wieder vorkommen.