Bad Arolsen (epd). Nach Vorwürfen wegen Mobbings und Machtmissbrauchs gegen die Leitung des NS-Dokumentationszentrums Arolsen Archives äußert der Anwalt Daniel Vogel Zweifel am Aufklärungswillen der Verantwortlichen. Noch hoffe er darauf, dass Konsequenzen aus den von 25 aktiven oder ehemaligen Beschäftigten gesammelten Berichten gezogen würden, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er wisse aber auch, dass Direktorin Floriane Azoulay im Aufsichtsgremium der Einrichtung, dem sogenannten Internationalen Ausschuss, zahlreiche Fürsprecher habe. Parallel prüfe er in einigen besonders drastischen Fällen auch Strafanzeigen.
Die Vorwürfe richteten sich keinesfalls gegen das international renommierte NS-Dokumentenzentrum, sondern ausschließlich gegen Azoulay und ihren Stellvertreter Steffen B., betonte Vogel. Am Mittwoch hatte zuerst das „Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)“ über ein bereits im März von Vogel zusammengestelltes Dossier an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) berichtet, das inzwischen auch dem epd vorliegt.
Darin werden Willkür, Demütigungen und reihenweise Kündigungen von Angestellen beschrieben. Nach Darstellungen von Mitarbeitenden herrscht in der Einrichtung nahezu seit Amtsantritt der Französin Azoulay im Jahr 2016 eine „toxische Arbeitsatmosphäre“ und eine „Kultur der Angst“.
Die Pressesprecherin der Arolsen Archives, Anke Münster, bestätigte dem epd, dass sich die Leitung einer externen Untersuchung durch eine Berliner Anwaltskanzlei stellen müsse. Die Arolsen Archives nähmen die anonym erhobenen Vorwürfe sehr ernst, sagte Münster. Allerdings sei die Direktion dazu angehalten, nicht zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, bis die laufende Untersuchung abgeschlossen ist.
Der aus den Vertretern von elf Ländern bestehende Internationale Ausschuss habe die Untersuchung in Auftrag gegeben. „Bis zum 5. Juni 2023 können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Rahmen äußern“, sagte die Sprecherin.
Bundestagsabgeordnete von Union und SPD forderten nach Bekanntwerden der Vorwürfe Konsequenzen. Es sei von größter Bedeutung, dass solche staatlich unterstützten Kultureinrichtungen klare Richtlinien zur Prävention und Bekämpfung von Machtmissbrauch einhielten, sagte der kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Helge Lindh, dem RND. Darüber hinaus bedürfe es einer langfristigen Vertrauensstelle als „Frühwarnsystem für die Mitarbeitenden des Archivs“.
Die CDU-Kulturpolitikerin Christiane Schenderlein forderte, das Arbeitsverhältnis der Direktorin müsse mit sofortiger Wirkung so lange ruhen, bis die Vorwürfe aufgeklärt seien: „Die eingeleitete Untersuchung muss angesichts der geschilderten Dramatik nach zwei Monaten auch Ergebnisse liefern. Der Schwebezustand ist unhaltbar.“