Berlin, São Paulo (epd). Der brasilianische Kongress will die Ausweisung von indigenen Schutzgebieten erschweren. Das Abgeordnetenhaus stimmte am Mittwoch (Ortszeit) mit 324 Stimmen für ein entsprechendes Projekt, wie das Nachrichtenportal „G1“ berichtet. 131 Parlamentarier votierten dagegen, es gab eine Enthaltung. Das umstrittene Projekt stammt noch aus der Zeit des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro, der die wirtschaftliche Ausbeutung im Amazonas-Regenwald vorantreiben wollte.
Indigenen-Ministerin Sônia Guajajara sprach auf Twitter von einem „gesetzlich verordneten Völkermord“. Es handele sich um ein Gesetz, das gegen die brasilianische Verfassung und die Rechte der indigenen Bevölkerung verstoße. Sie zeigte sich „frustriert“ darüber, dass Präsident Luiz Inácio Lula da Silva nicht dagegen vorgehe.
Über das Projekt „Marco temporal“ wird seit 2021 gestritten. Es handelt sich dabei um eine umstrittene juristische These, die etwa Großgrundbesitzer so auslegen, dass indigene Völker nur dort Land beanspruchen können, wo sie bereits vor der Verfassung von 1988 lebten. Allerdings wurden viele Urvölker von ihrem ursprünglichen Land vertrieben und hätten so nie eine Chance auf Rückkehr. Das Oberste Gericht analysiert seit Jahren, ob diese Gesetzesauslegung verfassungsgemäß ist.
Präsident Lula hatte bei Amtsantritt im Januar eine Abkehr dieser Politik versprochen. Im April unterzeichnete er Dekrete, die erstmals seit 2018 wieder Indigenen-Schutzgebiete auswiesen. Das Dekret garantiert den Ureinwohnern die ausschließliche Nutzung der natürlichen Ressourcen auf diesen Gebieten. Das Land darf nicht verkauft werden, auch Bergbau ist untersagt. Insgesamt verfügt Brasilien über 732 Indigenen-Gebiete, die rund 14 Prozent des Staatsterritoriums ausmachen.