Düsseldorf (epd). Nach dem Brandanschlag auf Polizei- und Einsatzkräfte in Ratingen hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) den über 30 teils lebensgefährlich verletzten Einsatzkräften und ihren Angehörigen Unterstützung und langfristige Begleitung zugesichert. Zugleich betonte Reul in einer Sondersitzung am Montag im Innenausschuss des NRW-Landtags, dass Fragen etwa zum Tatmotiv und Einzelheiten zum Tatablauf noch ermittelt würden.
Der Innenminister betonte, dass die Polizisten von einem Haftbefehl gegen 57-Jährigen wussten, der am 11. Mai den mutmaßlich den Brandanschlag in einer Wohnung in Ratingen begangen haben soll. Der Mann sei in drei Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden - wegen Ohrfeigen und einem Schlag gegen Hausnachbarn. Weil er nicht gezahlt habe, sei am 27. eine Ersatzfreiheitsstrafe gegen ihn verhängt worden, erklärte Reul. Ein sogenannter Gewalttätereintrag habe jedoch nicht vorgelegen, erläuterte der Innenminister. Diese Kategorie für schwere Gewalttaten habe der Mann mit den einfachen Gewaltdelikten nicht erfüllt.
Am Morgen des 11. Mai seien die Polizisten nicht wegen der Vollstreckung des Haftbefehls im Einsatz gewesen, sondern waren von der Hausverwaltung wegen eines überfüllten Briefkastens und Verwesungsgeruchs gerufen wurden, berichtete Reul. Der Verdacht auf einen medizinischen Notfall beziehungsweise eine familiäre Tragödie habe im Vordergrund gestanden. Dass die Polizistin, die mit einem Kollegen als erste die von der Feuerwehr geöffnete Wohnung betrat, dann von dem Bewohner mit Benzin überschüttet und angezündet wurde, sei nicht vorhersehbar gewesen.
Das Motiv des mutmaßlichen Täters, der sich mit leichten Verletzungen in Untersuchungshaft befindet, ist derzeit unklar, wie der Minister betonte. Gegen den Beschuldigten werde wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in neun Fällen ermittelt. Ein psychiatrischer Sachverständiger werde in der kommenden Woche ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Mannes erstellen. Mögliche Bezüge zur „Corona-Leugner“- oder „Prepper“-Szene seien bislang nicht belegt, betonte Reul.
Wie ein Mitarbeiter des Justizministeriums bestätigte, befand sich in der Wohnung ein stark verwester Leichnam in einem Rollstuhl. Die über 90 Jahre alte Frau sei wahrscheinlich eines natürlichen Todes gestorben. Die Identität der Frau werde derzeit geklärt, vermutlich handele es sich um die Mutter des Beschuldigten.
Insgesamt wurden durch den Brandanschlag am 11. Mai laut Ministerium 35 Menschen auf unterschiedliche Weise verletzt. Von den neun Menschen - Polizeibeamte, Feuerwehr- und Rettungskräfte -, die sich direkt an der Wohnungstür befanden hatten, schwebten aktuell drei mit schweren Brandverletzungen in Lebensgefahr.