Aus allen Äußerungen in Politik und Öffentlichkeit zu den Fragen, "die uns in Europa gegenwärtig bewegen", müsse der Geist wechselseitiger Achtsamkeit spürbar sein, sagte der evangelische Theologe am Mittwoch in einem ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in München: "Demut bewährt sich gerade dann, wenn es einem besser geht als anderen." Auch nach Ansicht des katholischen Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx ist Deutschland verpflichtet, sich besonders für die Zukunft Europas zu engagieren.
Auftakt zu Einheitsfeierlichkeiten
Zu dem ökumenischen Gottesdienst kamen rund 1.000 Menschen, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) und der amtierende Bundesratspräsident Horst Seehofer (CSU). Der Gottesdienst bildete den Auftakt zum offiziellen Teil der zentralen Feierlichkeiten zum Tage der Deutschen Einheit. Er wurde zelebriert von Landesbischof Bedford-Strohm, dem Münchner Kardinal Reinhard Marx und dem orthodoxen Metropoliten Augoustinos.
Bedford-Strohm betonte, Überheblichkeit sei unvereinbar mit der Dankbarkeit für die geschenkte Freiheit, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und auch 1989 zuteil geworden sei. "Nach der noch immer unfassbaren Barbarei des Nationalsozialismus hatte sich Deutschland seine Freiheit ganz bestimmt nicht verdient." Auch die Überwindung von Mauer und Stacheldraht im Herzen Europas bleibe ein großes Geschenk.
Warnung vor Ungleichheit
Zugleich warnte Bedford-Strohm vor einer zunehmenden Ungleichheit in Deutschland. Es sei nicht normal, dass Vollzeitbeschäftigte wegen eines niedrigen Lohns auf staatliche Unterstützung angewiesen seien und sich auf Altersarmut einstellen müssten. "Über die richtigen Wege zu gerechter Teilhabe muss diskutiert werden", forderte er.
Kardinal Marx sagte in dem Gottesdienst: "Wir sind nicht alleine als Deutsche unterwegs, sondern wir sind unterwegs als Europäer." Ohne die Gemeinschaft in Europa hätte es vermutlich keine Deutsche Einheit gegeben. Die Bundesrepublik müsse daher dankbar sein: Denn die Wiedervereinigung "ist ein Zeichen des Vertrauens und Zutrauens unserer Nachbarn, Ausdruck einer Bereitschaft, in Europa neue gemeinsame Wege zu gehen".