Karlsruhe (epd). Für den Bafög-Bezug muss ein Student nicht um jeden Preis seinen Erbanteil an einem Hausgrundstück verkaufen. Es stellt für den Studenten eine unbillige Härte dar und verstößt gegen das Willkürverbot, wenn er zur Existenzsicherung eine unwirtschaftliche Zwangsversteigerung seines Erbanteils veranlassen muss - noch dazu gegen den Willen der anderen, ebenfalls in dem Einfamilienhaus lebenden Angehörigen -, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: 1 BvR 1620/22)
Im konkreten Fall hatte ein Student im November 2020 Bafög beantragt. Das Studentenwerk Frankfurt am Main lehnte dies ab. Nach dem Tod seines Vaters habe der Student einen Erbanteil von einem Zwölftel am Einfamilienhaus geerbt, in dem er, seine Mutter und seine beiden minderjährigen Brüder leben. Bevor er Bafög erhalten könne, müsse er sein geerbtes Vermögen verwerten und dieses für die Existenzsicherung einsetzen. Die Behörde hatte den Miteigentumsanteil an der Immobilie auf 26.219 Euro angesetzt.
Der Student klagte gegen die Entscheidung. Seine Mutter und Geschwister könnten ihn weder für seinen Erbanteil auszahlen, noch seien sie bereit, einer Versteigerung zuzustimmen. Sie würden sonst ohne Bleibe dastehen. Würde er eine Zwangsversteigerung veranlassen, wäre der Familienfrieden zerstört.
Das Verwaltungsgericht und der Hessische Verwaltungsgerichtshof wiesen die Klage ab. Doch damit wurde gegen das Willkürverbot verstoßen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Es stelle eine „unbillige Härte“ dar, wenn eine Zwangsversteigerung veranlasst werden muss, bei dem regelmäßig ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust entsteht. Darauf seien die Vorinstanzen gar nicht eingegangen, rügten die Verfassungsrichter.
Auch sei überhaupt nicht berücksichtigt worden, dass eine Zwangsversteigerung gegen den Willen der Mutter und der beiden Brüder stattfinden würde. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main muss nun noch einmal über den Bafög-Anspruch entscheiden.