Erfurt (epd). Für Arbeiten in einem gemeinnützigen Yoga-Ashram, einer Art spiritueller Einsiedelei, muss mindestens der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden. Der Yoga-Verein als Träger kann sich nicht darauf berufen, dass er als Religionsgemeinschaft mit Selbstbestimmungsrecht arbeitenden Mitgliedern nur ein Taschengeld zahlen sowie Kost und Logis gewähren kann, urteilte am Dienstag das Bundesarbeitsgericht (BAG). (AZ: 9 AZR 253/22) Die Erfurter Richter sprachen einem früheren Mitglied des im Kreis Lippe ansässigen Vereins Yoga Vidya dem Grunde nach Mindestlohn zu, über dessen Höhe nun das Landesarbeitsgericht Hamm entscheiden muss.
Die Klägerin, eine Volljuristin, lebte von März 2012 bis zum Ende ihrer Mitgliedschaft im Juni 2020 als Vereinsangehörige, in dem Yoga-Ashram von Yoga Vidya. Der 1995 gegründete gemeinnützige Verein hat das Ziel, „Yoga zu leben und weiterzugeben“. Nach eigenen Angaben ist Yoga Vidya Deutschlands größtes Yoga-Seminarhaus und Europas größtes Ausbildungsinstitut für Yoga-Lehrer.
Der Verein bietet an mehreren Standorten in Deutschland vorwiegend Kurse, Workshops oder Vorträge an. Die in den Ashrams wohnenden Mitglieder widmen ihr Leben der Übung und Verbreitung der Yoga-Vidya-Lehre. Dazu gehören auch nach Weisung ihrer Vorgesetzten profane Arbeiten, etwa in Küche, Garten oder bei der Leitung von Seminaren. Als „Leistung zur Daseinsfürsorge“ erhalten sie ein monatliches Taschengeld von bis zu 390 Euro, plus 180 Euro bei Führungsverantwortung. Kost und Logis sind frei.
Die Klägerin hielt diese Entlohnung für ihre 42-stündige Wochenarbeitszeit für zu gering und verlangte den gesetzlichen Mindestlohn. Ihr müssten noch über 46.000 Euro nachgezahlt werden. Der Verein berief sich dagegen darauf, dass er als Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft gelte und somit ein Selbstbestimmungsrecht habe, wie er seine Mitglieder bezahle.
Doch darauf kann sich Yoga Vidya nicht berufen, urteilte nun das BAG. Die Klägerin sei weisungsgebundene Arbeitnehmerin gewesen und habe Anspruch auf den Mindestlohn. Der Verein sei keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. Er beziehe sich nur auf ein breites Spektrum an Weisheitslehren, Philosophien und Praktiken aus östlichen und westlichen Kulturen, ohne dass dabei ein Gesamtgefüge religiöser Elemente hinreichend erkennbar sei. Die Arbeit der Mitglieder sei damit nicht ausschließlich von einem religiösen Bekenntnis geprägt, befand das Gericht.
Zwar könne sich Yoga Vidya auf die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie berufen. Das könne aber nicht begründen, dass „zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen“ wie der Mindestlohn umgangen würden.