Nairobi, Khartum (epd). Nach vier Tagen andauernder Kämpfe haben sich die Konfliktparteien im Sudan am Dienstag offenbar auf eine 24-stündige Waffenruhe geeinigt. Diese sollte um 18 Uhr (Ortszeit) beginnen, wie der Armee-General Schamseddine Kabbaschi dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabiya sagte. Zuvor hatten die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) erklärt, sich dem Vorstoß von US-Außenminister Antony Blinken anzuschließen.
Die Waffenruhe solle sichere Wege für die Durchreise von Zivilisten und die Evakuierung von Verwundeten ermöglichen, hieß es. In den vergangenen Tagen waren jeweils mehrstündige Waffenpausen jedoch nicht eingehalten worden. Laut dem arabischen Sender Al-Dschasira gab es in Khartum 90 Minuten vor Beginn der Waffenpause noch Gefechte.
In dem Land am Horn von Afrika kämpfen die Armee und die RSF-Truppen seit Samstag um die Macht. Dabei stehen sich der Armee-General Abdul Fattah Al-Burhan und der RSF-Befehlshaber Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“, gegenüber. Nach UN-Angaben kamen seit Samstag mehr als 180 Menschen ums Leben. Etwa 1.800 Personen wurden demnach verletzt.
In Khartum sind die Folgen der Kämpfe für die Bevölkerung laut Beobachtern vor Ort verheerend. „So schlimm wie jetzt war es in Khartum noch nie, die Menschen sind völlig verängstigt“, sagte der Aktivist und Koordinator der investigativen Nachrichtenplattform „Ayin“, Mosaab Baba, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Keiner wisse, wie lange die Nahrungsmittelvorräte noch reichten.
Kämpfe gab es am Dienstag nach UN-Angaben auch wieder in der Konfliktregion Darfur im Westen des Landes. Dort herrsche „komplettes Chaos“, sagte Baba. Die Armee versuche, Milizen auf ihre Seite zu bekommen. Zugleich werde spekuliert, dass die „Rapid Support Forces“ Unterstützung von Verbündeten in Libyen, Tschad und anderen umliegenden Ländern angefordert hätten.
Der Sudan-Experte Gerrit Kurtz zeigte sich ebenfalls besorgt. Die beiden Konfliktparteien seien die „mit Abstand mächtigsten, größten und am besten bewaffneten Kräfte des Landes“, sagte der Politikwissenschaftler von der Stiftung Wissenschaft und Politik dem epd. Bisher habe sich zwar noch keine der zahlreichen bewaffneten Gruppen einer der Seiten angeschlossen. Aber diese Gefahr bestehe.
Die Kämpfe beeinträchtigen auch die humanitäre Hilfe in dem Land, in dem nach UN-Angaben etwa 15 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, dass mehrere Krankenhäuser in Khartum keine Blutkonserven mehr hätten. Elf Krankenhäuser seien wegen Zerstörungen oder drohenden Luftangriffen geschlossen. Bereits am Sonntag hatte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) nach dem Tod dreier Mitarbeiter die Arbeit vorerst eingestellt.
Regierungsvertreter vieler Länder haben seit Beginn der Kämpfe wiederholt zu Frieden aufgerufen. Auch UN-Generalsekretär António Guterres bemüht sich um eine diplomatische Lösung. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, verlangte am Dienstag eine unabhängige Untersuchung der Tötungen von Zivilisten. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte er in Genf.
Im Jahr 2019 hatte eine Protestbewegung den autoritären Langzeitherrscher Omar Al-Baschir gestürzt. Das Militär weigerte sich jedoch, seine Macht an eine zivile Regierung abzugeben. Proteste für eine Demokratisierung des Landes wurden teils blutig niedergeschlagen. Im Oktober 2021 putschten die jetzigen Widersacher Al-Burhan und „Hemeti“ und setzten eine zivil-militärische Übergangsregierung ab. Der Konflikt eskalierte am Samstag laut Medienberichten unter anderem wegen des Streits über die Integration der RSF-Einheiten in die reguläre Armee.