Nairobi, Khartum (epd). Im Sudan dauern die Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs offenbar den vierten Tag in Folge an. „Seit ein paar Stunden wird wieder heftig geschossen“, sagte der UN-Sonderbeauftragte Volker Perthes dem Deutschlandfunk am Dienstag aus Khartum. Anwohner der Hauptstadt berichteten in sozialen Medien, dass nun auch das Wasser teilweise ausgefallen sei. In dem Land am Horn von Afrika kämpfen die Armee und die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ um die Macht.
Nach Angaben der Ärztevereinigung CCSD sind seit Beginn der Kämpfe am Samstag 144 Zivilisten getötet worden. Hintergrund des Konflikts ist ein Streit zwischen der regulären Armee und der RSF-Einheit um die Macht im Sudan.
Der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Perthes, sprach von mehr als 180 Toten und knapp 2.000 Verletzten. Auseinandersetzungen gebe es nicht nur in Khartum, sondern auch in anderen Gebieten. In der westlichen Konfliktregion Darfur seien auch Einrichtungen der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen geplündert worden.
In dem Konflikt stehen sich der Armee-General Abdul Fattah Al-Burhan und der RSF-Befehlshaber Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“, gegenüber. Beide Konfliktparteien hatten sich gegenseitig die Schuld für die Eskalation gegeben. „Hemeti“ äußerte am Dienstag nach einem Gespräch mit US-Außenminister Antony Blinken seine Bereitschaft zu einer 24-stündigen Waffenruhe. Zugleich beschuldigte er die Armee, eine Feuerpause nicht eingehalten zu haben. In den vergangenen Tagen jedoch wurden humanitäre Waffenpausen Perthes zufolge gebrochen.
Der Sudan-Experte Gerrit Kurtz sieht derzeit wenig Hoffnung für ein rasches Ende der Kämpfe. Die Konfliktparteien würden so lange kämpfen, bis die Kontrolle über zentrale staatliche und militärische Institutionen in Khartum klar sei, sagte der Politikwissenschaftler von der Stiftung Wissenschaft und Politik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das könne sich „mindestens noch mehrere Tage“ hinziehen.
Momentan werde nicht darüber gesprochen, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könne, sagte Kurtz. Die beiden Konfliktparteien seien die „mit Abstand mächtigsten, größten und am besten bewaffneten Kräfte des Landes“. Je länger der Konflikt andauere, umso mehr müsse von einem Krieg gesprochen werden. Bisher hätte sich zwar noch keine der zahlreichen bewaffneten Gruppen einer der Seiten angeschlossen. Aber diese Gefahr bestehe.
Der Konflikt beeinträchtigt auch die humanitäre Hilfe in dem Land, in dem nach UN-Angaben etwa 15 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben. Die Hilfsorganisation „Save the Children“ berichtete, dass bewaffnete Gruppen aus ihrem Büro in der westlichen Darfur-Region medizinische Versorgung sowie Laptops und Autos gestohlen hätten. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hatte nach dem Tod dreier Mitarbeiter die Arbeit vorerst eingestellt.
Regierungsvertreter vieler Länder haben seit Beginn der Kämpfe wiederholt zu Frieden aufgerufen. Derweil kam es am Montag laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zu einem Angriff auf die Residenz des EU-Botschafters in Khartum. Botschafter Aidan O'Hara blieb den Angaben zufolge unverletzt.
Im Jahr 2019 hatte eine von der Zivilgesellschaft getragene Bewegung den autoritären Langzeitherrscher Omar Al-Baschir gestürzt. Das Militär weigerte sich jedoch, seine Macht an eine zivile Regierung abzugeben. Proteste für eine Demokratisierung des Landes wurden teils blutig niedergeschlagen.