Frankfurt a.M. (epd). Nach dem Abschalten der letzten drei Atomkraftwerke am Samstag geht die Diskussion über eine gesicherte Energieversorgung in Deutschland weiter. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) verteidigte am Samstag im Deutschlandfunk erneut den Atomausstieg und garantierte eine Energiesicherheit in Deutschland. Indessen reißt auch die Kritik am Atomausstieg nicht ab.
Bundesumweltministerin Lemke betonte, auch die Energieversorgung im nächsten Winter sei gewährleistet. Dazu setze die Bundesregierung auch auf den Ausbau von erneuerbaren Energien.
In Deutschland wird künftig kein Atomstrom mehr produziert. Die letzten drei Kraftwerke sind am Samstag vom Netz gegangen. Mit der Abschaltung von Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen ist der Ausstieg aus der Kernenergie nach rund sechs Jahrzehnten abgeschlossen: Der erste Meiler in der Bundesrepublik nahm 1960 den Betrieb auf, in der DDR begann die Nutzung der Technologie zur Stromerzeugung 1966.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass sie „sehr froh“ sei, dass Deutschland den Ausstieg „aus der hochgefährlichen Atomkraft nun endlich geschafft“ habe. Forderungen der FDP, nach der Abschaltung der letzten Atommeiler für die Energiegewinnung auf Kernfusion zu setzen, wies sie zurück. „Wer jetzt den Eindruck vermittelt, dass mit dieser Technologie in absehbarer Zeit ein verlässlicher Beitrag zu unserer Energieversorgung geleistet werden kann, der streut den Menschen Sand in die Augen“, sagte Esken. Zuvor hatte sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr für die Kernfusion ausgesprochen. „Die Kernfusion produziert stabil umweltfreundliche Energie - unabhängig von Wind und Sonne. Darin sehe ich eine große Chance“, sagte Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppen am Samstag.
Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne) begrüßte das endgültige Aus der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland. Damit ende auch ein jahrzehntelanger gesellschaftlicher Konflikt, sagte der Politiker am Samstag in Hannover: „Darüber bin ich sehr froh, denn diese hochgefährliche Risikotechnologie kann bei einem Super-GAU nicht nur verheerende Folgen für uns alle haben, sie hat in drei Generationen Probleme für 30.000 weitere Generationen geschaffen.“ Denn die Frage eines Endlagers für den Atommüll sei weiter ungelöst. Debatten darüber, oder ob ein AKW als Reserve weiterhin zur Verfügung stehen könne, lehne er konsequent ab.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hingegen äußerte Kritik am Atomausstieg und schlug vor, deutsche Kernkraftwerke betriebsfähig zu halten. Bei einer möglichen Abkehr vom Atomausstieg könnten sie dann wieder hochgefahren werden, sagte Aiwanger am Samstag dem Radiosender Bayern 2.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte in Hamburg, dass die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland ein riesiger Erfolg von 40 Jahren Anti-Atom-Bewegung sei. Auch Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring, begrüßte in Berlin den Abschied von der „Hochrisikotechnologie Atomkraft“.
Den ersten Ausstiegs-Beschluss hatte 2001 die damalige rot-grüne Koalition getroffen. Die von 2009 bis 2013 regierende schwarz-gelbe Bundesregierung verlängerte die Laufzeiten zunächst, leitete aber unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 den Atomausstieg bis Ende 2022 doch wieder ein. Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach langem Streit in der Ampel-Koalition und angesichts der Gaskrise den Betrieb der letzten drei Kraftwerke um dreieinhalb Monate verlängert.