Bundeskabinett bringt Pflegereform auf den Weg

Bundeskabinett bringt Pflegereform auf den Weg
Kinderlose sollen künftig mehr für die Pflegeversicherung zahlen, Eltern mit mehreren Kindern hingegen entlastet werden. Auch einige Leistungsverbesserungen sind vorgesehen. Sozialverbänden gehen die Pläne nicht weit genug.

Berlin (epd). Die Beiträge zur Pflegeversicherung sollen zum Juli dieses Jahres steigen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, der Beitragserhöhungen und Leistungsverbesserungen vorsieht. Die zusätzlichen Einnahmen sollen die Finanzen der Pflegeversicherung stabilisieren. Mit dem Gesetz wird auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wonach Eltern mit mehreren Kindern weniger zahlen müssen als Eltern mit einem Kind oder kinderlose Versicherte.

Dem Entwurf zufolge soll der allgemeine Beitragssatz von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens auf 3,4 Prozent steigen, Kinderlose zahlen 4 Prozent statt bisher 3,4 Prozent. Eltern mit zwei und mehr Kindern zahlen zwischen 3,15 und 2,4 Prozent. Die Einnahmen der Pflegeversicherung erhöhen sich um 6,6 Milliarden Euro pro Jahr.

Zu den Verbesserungen, die 2024 wirksam werden sollen, zählen eine fünfprozentige Erhöhung der Geld- und Sachleistungen für pflegende Angehörige und eine Erhöhung der Zuschüsse für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. Sie müssen einen immer größeren Teil der Kosten ihres Heimplatzes aus eigener Tasche bezahlen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte: „Dass immer mehr Menschen nach einem arbeitsreichen Leben in die Sozialhilfe abrutschen, werden wir nicht akzeptieren.“

Die Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink und Kordula Schulz-Asche kündigten an, im parlamentarischen Verfahren auf Nachbesserungen im Regelwerk dringen zu wollen. Sie erklärten, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) habe verhindert, „dass die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen in der Höhe entlastet werden, wie es notwendig wäre“. So fehle nun etwa die vereinbarte Vereinfachung bei der Beantragung von Entlastungsleistungen in der häuslichen Pflege.

Die Diakonie bewertet die Maßnahmen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte, in der Langzeitpflege würden die Kostensteigerungen weiterhin auf die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie die Einrichtungen abgewälzt, die bereits völlig überlastet seien. Besonders schmerze der Rückschritt bei der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Auch die Caritas bemängelte, dass das Entlastungsbudget für pflegende Angehörige, entgegen der Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag, aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden sei.

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch äußerte sich ähnlich. „Klammheimlich wurde nun die eigentlich geplante Zusammenlegung des Entlastungsbudgets für Kurzzeit- und Verhinderungspflege doch wieder gestrichen“, kritisierte er. Auch müssten sich die Betroffenen im nächsten Jahr mit einer Erhöhung von nur fünf Prozent abfinden. „Das steht nicht ansatzweise im Verhältnis zur Kostenexplosion von 40 Prozent in den letzten fünf Jahren in der Altenpflege.“

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte den Entwurf als „völlig unzureichend“. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider erklärte, eines der Hauptprobleme, das durch den Gesetzentwurf nicht gelöst werde, seien die explodierenden Eigenanteile. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo gilt: Wer pflegebedürftig wird, muss Armut fürchten.“

Rund 4,9 Millionen Menschen beziehen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Rund vier Millionen werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt. In den Corona-Jahren stiegen die Ausgaben der Pflegeversicherung stark an. Sie lagen 2021 bei rund 53,8 Milliarden Euro und damit 1,35 Milliarden Euro über den Einnahmen. Dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) zufolge stieg das Defizit zum Jahresende 2022 auf rund 2,2 Milliarden Euro.