Experte: Eritreas Militärpräsenz gefährdet Frieden in Tigray

Experte: Eritreas Militärpräsenz gefährdet Frieden in Tigray
Fast zwei Jahre hat der blutige Konflikt in der äthiopischen Tigray-Region angedauert. Auch der an dem Krieg beteiligten eritreischen Armee werden brutale Massaker vorgeworfen. Eine Aufklärung der Verbrechen halten Experten für unwahrscheinlich.

Nairobi, Addis Ababa (epd). Die anhaltende Präsenz von Truppen aus Eritrea gefährdet nach Einschätzung des Analysten Rashid Abdi den fragilen Frieden in der äthiopischen Konfliktregion Tigray. Die eritreischen Soldaten seien bei ihrer Unterstützung für die äthiopische Armee im Krieg gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) besonders brutal vorgegangen, sagte der Ostafrika-Experte bei der Denkfabrik „Sahan“ dem Evangelischen Pressedienst (epd) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Auch der Direktor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, forderte ein Ende der Gewalt.

Der Konflikt in Tigray dauerte knapp zwei Jahre bis zu einem Friedensschluss im November. Wenige Tage vor Unterzeichnung des Abkommens töteten eritreische Soldaten nach Berichten der „Washington Post“ 300 Zivilistinnen und Zivilisten bei Massakern in mindestens zehn Dörfern. Dass diese und ähnliche Verbrechen jemals aufgeklärt und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden, hält Abdi für extrem unwahrscheinlich. Eritrea habe kein Interesse, Menschenrechtsverletzungen jeglicher Art auch nur zuzugeben.

Auch von äthiopischer Seite seien keine Untersuchungen zu erwarten. „Ohne Eritrea hätte Äthiopien diesen Krieg nicht gewinnen können“, sagt Abdi. Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed stehe deshalb in der Schuld des eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki. Dadurch könne das kleine Eritrea mit seinen nur 3,6 Millionen Einwohnern erstaunlichen Druck aufbauen und Einfluss auf die politische Lage der Region nehmen.

Der aus Tigray stammende WHO-Direktor Tedros hatte am Sonntag dazu aufgerufen, dass das Töten durch die eritreische Armee aufhören müsse. In Tigray bräuchten die Menschen dringend Frieden, um ihre Leben und Lebensgrundlagen wieder aufzubauen, erklärte Tedros auf Twitter.

Das Friedensabkommen zwischen der äthiopischen Regierung und der TPLF sieht auch den Abzug der eritreischen Truppen vor. Doch Präsident Afwerki hat sich diesem Friedensprozess bisher nicht offiziell angeschlossen. Zu groß sei die Bitterkeit, die Afwerki gegen den Erzfeind TPLF hege, sagt Abdi. Die TPLF dominierte über Jahrzehnte die Politik Äthiopiens und führte als Teil der Zentralregierung einen Grenzkrieg gegen Eritrea.

„Afwerkis Ziel ist es, sich als neuer Führer des Horns von Afrika zu positionieren“, erläutert Abdi. Dafür sei er bereit, Gewalt einzusetzen. Auch pflege er enge Verbindungen zu Regierungen der Region wie dem somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud. Die eritreische Armee habe in den vergangenen Jahren tausende somalische Soldaten trainiert. Kenias Präsident William Ruto habe er seit dessen Amtsantritt im September ebenfalls schon mehrfach getroffen. Ruto habe zwar nicht öffentlich den Abzug eritreischer Truppen aus Tigray gefordert. Hinter den Kulissen versuche er es weiter, sagt Abdi.

Momentan aber sei die Lage in Tigray düster. Und wenn es nicht bald eine Verbesserung der Lebensumstände gibt, sieht Abdi zwei Szenarien drohen: ein Aufstand gegen die TPLF oder eine Rückkehr zum Krieg. „Die Situation in Tigray könnte schnell außer Kontrolle geraten“, sagt Abdi. Damit das nicht passiert, sollte Eritrea dringend seine verbleibenden Truppen abziehen.