Berlin (epd). Am 24. Februar des vergangenen Jahres begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch für Deutschland hatte dieser Überfall auf ein souveränes Land in Europa massive Konsequenzen. Ein Rückblick:
2022
27. Februar
Bei einer an einem Sonntag einberufenen Sondersitzung des Bundestags spricht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von einer „Zeitenwende“: Er kündigt eine deutliche Aufrüstung zur Wahrung der Sicherheit in Europa an. Bereits am Tag zuvor entscheidet die Bundesregierung, der Ukraine Panzerabwehrwaffen sowie Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ zu liefern.
3. März
Die EU-Innenministerinnen und -minister einigen sich darauf, für die Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen erstmals die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz einzusetzen. Die Vertriebenen müssen keinen Asylantrag stellen, erhalten in Deutschland Grundsicherung, können arbeiten, Ärzte und Kliniken in Anspruch nehmen und ihre Kinder zur Schule schicken.
24. März
Weil infolge des Kriegs die Preise für Energie und Lebensmittel stark steigen, beschließt die Ampel-Koalition Entlastungen für die Menschen und Unternehmen in Deutschland. Dazu gehören Einmalzahlungen zwischen 100 und 300 Euro, ein vorgezogener Wegfall der EEG-Umlage, eine höhere Pendlerpauschale, das 9-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr von Juni bis August und der ebenfalls auf drei Monate befristete Tankrabatt.
1. Mai
In den ersten beiden Monaten des Kriegs werden zwischen 400.000 und 600.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Ukrainerinnen und Ukrainer sich im Schengen-Raum 90 Tage ohne Visum frei bewegen können.
8. Mai
Am Jahrestag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg bezeichnet Kanzler Scholz die Unterstützung der Ukraine auch mit militärischen Mitteln als „Vermächtnis des 8. Mai“. Die zentrale Lehre aus der deutschen Geschichte laute: „Nie wieder!'“ Es ist nach dem 24. Februar die zweite TV-Ansprache des Kanzlers zum Krieg in der Ukraine.
1. Juni
Scholz kündigt im Bundestag die Lieferung eines Flugabwehrsystems an die Ukraine an. Konkret ging es unter anderem um das Flugabwehrsystem IRIS-T und um ein Ortungsradar, das feindliche Haubitzen, Mörser und Raketenartillerie aufklärt.
3. Juni
Mit großer Mehrheit verabschiedet der Bundestag das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen Bundeswehr. Damit kann der Bund Schulden machen, um die deutschen Streitkräfte aufzurüsten. Das Vorgehen wird durch eine Grundgesetzänderung abgesichert.
4. Juli
Erstes Treffen der konzertierten Aktion: Auf Initiative von Kanzler Scholz beraten Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände, wie der durch die Energiekrise drohenden Inflation begegnet werden kann. Es gibt im Jahresverlauf zwei weitere Treffen.
29. September
Nach wochenlangen Planungen für eine Gasumlage zugunsten der Konzerne gibt Kanzler Scholz bekannt, dass auf die Umlage verzichtet und stattdessen eine Gaspreisbremse eingeführt werden soll. Dafür werden 200 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Die Umlage hätte Gas-Kunden belastet. Die Preisbremse entlastet alle Gas-Verbraucher.
17. Oktober
Nach monatelangem Streit zwischen Grünen und FDP über den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken nutzt Scholz seine Richtlinienbefugnis und entscheidet, dass drei Meiler für die Sicherung der Energieversorgung noch bis Mitte April 2023 weiterbetrieben werden können. Die Abschaltung der AKWs Isar-2, Neckarwestheim-2 und Emsland war ursprünglich für Ende 2022 geplant.
7. November
Die deutschen Aufrüstungspläne und Waffenlieferungen an die Ukraine sorgen auch für gesellschaftliche Debatten. Bei ihrer Synode in Magdeburg diskutieren Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kontrovers. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus verteidigt die Lieferungen, weil sie bei der Verteidigung helfen und Leben retten könnten. Der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer bekräftigt dagegen seine Ablehnung von Waffenlieferungen.
15. Dezember
Der Bundestag beschließt die Gas- und die Strompreisbremse. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs wird der Gas- und Fernwärmepreis für Privathaushalte und kleinere Unternehmen begrenzt. Die Strompreisbremse funktioniert ähnlich. Für Haushalte, die mit Öl, Flüssiggas oder Pellets heizen, werden ab einer Verdoppelung der Preise gegenüber dem Vorjahr 80 Prozent der Kosten übernommen.
2023
5. Januar
Die Bundesregierung entscheidet, der Ukraine Schützenpanzer vom Typ Marder zu liefern. Gleichzeitig sagen die USA der Ukraine Schützenpanzer vom Typ Bradley zu.
11. Januar
Das Bundesinnenministerium veröffentlicht die Asylstatistik für das Jahr 2022. Danach wurden im vergangenen Jahr 1.045.185 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert. Rund 70 Prozent sind Frauen, 355.000 sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
17. Januar
Das Statistische Bundesamt beziffert die Inflation im Jahr 2022 auf 7,9 Prozent. Preistreiber waren vor allem Energie, die sich im Jahresdurchschnitt um 34,7 Prozent verteuerte, und Nahrungsmittel, deren Preise im selben Zeitraum um 13,4 Prozent zulegten.
25. Januar
Die Bundesregierung beschließt, der Ukraine Kampfpanzer des Typs Leopard 2 zur Verfügung stellen. Mit diesem modernen Angriffspanzer wird eine neue Qualität bei den Rüstungslieferungen an das kriegsgebeutelte Land erreicht. 2022 hat Deutschland Rüstungsexporte im Wert von insgesamt 2,2 Milliarden Euro an die Ukraine genehmigt. Wieder sagen auch die USA Panzer von gleicher Qualität zu.
10. Februar
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer starten auf dem privaten Portal „change.org“ eine Petition gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Der mit „Manifest für Frieden“ überschriebene offene Brief wird bis zum 1. März von mehr als 700.000 Menschen unterstützt, darunter auch Vertreter der AfD. Wagenknecht und Schwarzer wird vorgeworfen, in ihrer Petition Täter und Opfer des Krieges nicht deutlich benannt und sich nicht genügend von Rechtsextremen abgegrenzt zu haben. Tausende Menschen folgen am 25. Februar dem Aufruf der Initiatorinnen der Petition zu einer Demonstration in Berlin.