Berlin (epd). In der Debatte um eine mögliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts hat die Bundesregierung eine Expertenkommission berufen. Wie ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Dienstag auf Anfrage bestätigte, sind 18 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Ethik, Medizin und Recht berufen worden. Die weit überwiegende Mehrheit der Mitglieder, nämlich 15, sind Frauen, darunter die frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen. Die Kommission werde zeitnah ihre Arbeit aufnehmen, hieß es.
SPD, Grüne und FDP hatten während der Koalitionsverhandlungen keine Entscheidung darüber getroffen, ob der zunehmend umstrittene Paragraf zum Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll. Vereinbart wurde im Koalitionsvertrag, eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einzusetzen, die eine Regulierung für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen soll. Die Kommission soll sich zudem mit Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaften befassen.
Dem Gremium gehören als Expertinnen und Experten aus der Medizin neben Woopen die Sexualwissenschaftlerin Maika Böhm, die Ärztinnen Stephanie Wallwiener und Katharina Hancke, der Psychologe Bernhard Strauß und die Medizinethikerin Claudia Wiesemann an. Berufen wurde zudem die Biologin Sigrid Graumann, die dem aktuellen Ethikrat angehört. Zu den Expertinnen und Experten für Verfassungsrecht in dem Gremium gehören Frauke Brosius-Gersdorf, Paulina Starski, Friederike Wapler und die Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs in Hessen, Ute Sacksofsky.
Für den Bereich Recht wurden zudem die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds, Maria Wersig, die Strafrechtlerinnen Bettina Weißer und Liane Wörner, Susanne Lilian Gössl und der Familienrechtler Tobias Helms berufen. Zudem werden dem Gremium die Gesundheitswissenschaftlerin und Sozialforscherin Daphne Hahn sowie der Medizinrechtler Jochen Taupitz angehören. Die Mitglieder sind ausschließlich Professorinnen und Professoren.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dem „Spiegel“ vorab, ihm sei bewusst, dass mit der Kommission eine „emotionsgeladene Diskussion“ angestoßen werde. Ziel des Prozesses sei es, alle Seiten mitzunehmen und „zu einem gesellschaftlich respektierten Konsens zu kommen“.
Auch im Kabinett scheint das Thema umstritten. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte wiederholt deutlich gemacht, dass sie für eine Streichung des Paragrafen ist, weil nach ihrer Auffassung das Strafrecht nicht der richtige Ort dafür ist. Aus dem Haus von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kamen dagegen verfassungsrechtliche Vorbehalte. Die jetzige Regelung im Strafrecht geht wesentlich auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts zurück.
Ob eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode realistisch ist, hängt auch davon ab, wie lange sich die Kommission für die Beratungen Zeit nimmt. Dazu wurden am Dienstag noch keine Angaben gemacht.
Auf eine Mitarbeit in der Kommission gehofft hatte auch die evangelische Kirche. „Wir hätten uns gefreut, wenn kirchliche Expertise in der Kommission vertreten wäre“, sagte die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber Regierung und Bundestag, Anne Gidion, dem epd. Man sei auch weiterhin jederzeit bereit, Expertise auf andere Weise in die Arbeit der Kommission einzubringen.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hatte in einem Interview mit dem epd kürzlich kritisiert, es gehe in der aktuellen Debatte nahezu ausschließlich um das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau. Trotzdem müsse die jetzige Regelung „sehr genau daraufhin überprüft werden, ob sie die schwangere Frau und ihre Rechte ausreichend berücksichtigt“. Kurschus zeigte sich offen für eine Debatte um eine Neuregelung. Die katholische Kirche, die Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich ablehnt, hat sich bislang zurückhaltender zu dem Vorhaben geäußert.