München (epd). Rätselraten um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die katholische Kirche: Vor rund zwei Wochen haben einem Medienbericht zufolge Ermittler mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Tasche den Amtssitz des Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx und die Verwaltungszentrale des Erzbistums aufgesucht. Die Ermittler sollen im Zusammenhang mit Fällen sexualisierter Gewalt auf der Suche nach einem „Giftschrank“ gewesen sein.
Einen Verdacht gegen Marx oder andere Mitglieder der derzeitigen Bistumsleitung gebe es aber nicht. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Erzbistum wollten sich zu dem Einsatz vom 16. Februar äußern. Dafür meldete sich der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Montag zu Wort.
Der Minister betonte, Durchsuchungen dienten „nicht dazu, ein politisches Signal zu setzen, sondern Beweismittel zu finden“. Die Staatsanwaltschaften wendeten Recht und Gesetz an und hätten bei einem unabhängigen Gericht einen Durchsuchungsbeschluss beantragt. Er sagte, die bayerischen Behörden ermittelten konsequent, niemand stehe „über dem Gesetz, kein Politiker, kein Wirtschaftsboss und auch kein Geistlicher“. Zum sexuellen Missbrauch seien im kirchlichen Bereich seit 2010 mehrere Hundert Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren geführt worden; seit 2017 habe es 39 Durchsuchungen gegeben.
Ein Sprecher des Erzbistums sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag, man dürfe und werde sich zu dem Thema aktuell nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft München I teilte auf Anfrage mit: „Wir können, wie üblich, zu laufenden Ermittlungen keine Auskünfte geben.“ Die Medien würden - wie immer - erst nach Abschluss der Ermittlungen informiert. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Sonntag zuerst über die Durchsuchungen berichtet und diese als politisches Signal gewertet.
Dem Bericht zufolge gingen die Ermittler Gerüchten nach, dass es im Erzbistum München und Freising einen „Giftschrank“ gebe, in dem frühere Verantwortliche Unterlagen zum Missbrauch durch Kleriker eingeschlossen hätten. Das habe die Durchsuchung aber nicht bestätigt, schreibt die Zeitung weiter. Das Erzbistum hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, den Behörden alle gewünschten Unterlagen zu geben. Einen Verdacht gegen Kardinal Marx oder andere Mitglieder der derzeitigen Bistumsleitung gebe es nicht, schreibt die „Süddeutsche“. Es sollen auch kaum relevante Unterlagen gefunden worden sein.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte die Aktion der Staatsanwaltschaft am Montag bei einem Besuch im Münchner Presseclub nicht kommentieren: „Das muss die Justiz entscheiden.“ Das Thema Missbrauchsaufarbeitung kommentierte er dann aber ganz allgemein: „Das ist definitiv alles zu spät, alles zu lang.“ Er respektiere aber auch, was sich bei dem Thema inzwischen getan habe. Es gebe zwischen dem, was in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde und was die Kirche seit geraumer Zeit tue, „eine Differenz“. Das liege auch daran, dass sie sich bei dem Thema „zu spät der vollen Realität“ gestellt und Vertrauen verspielt habe.