Bonn (epd). Die Hilfsorganisation Care rechnet damit, dass rund ein Drittel der Menschen in der Ukraine in den kommenden Jahren psychologische Betreuung braucht, um mit den Folgen des russischen Angriffskrieges fertig zu werden. Rund 15 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer benötigten psychologische Hilfe, teilte Care am Dienstag in Bonn mit Verweis auf Erkenntnisse des ukrainischen Gesundheitsministeriums mit.
Die Menschen in der Ukraine stünden unter „enormem Stress“, sagte die Psychologin Inna Kanivets, die in einem von Care finanzierten Rückzugsraum in Cherkasy in der Ukraine tätig ist. Die ständige Anspannung, Sorgen um sich selbst oder Angehörige an der Front verursachten große Angst. Hinzu kämen Sorgen um die Kinder und der hohe Zeitdruck für wichtige Erledigungen, wenn für kurze Zeit Strom vorhanden sei sowie die Unsicherheit, dass jeden Tag etwas Schreckliches passieren könnte.
Laut der ukrainischen Organisation Ucare war bisher mindestens rund ein Drittel aller Ukrainer einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt. Insgesamt 71 Prozent der Ukrainer fühlten sich hilflos. Gleichwohl gebe es in der Bevölkerung weitverbreitete Vorurteile gegen die Inanspruchnahme psychologischer Beratung.
Auch in Deutschland bestehe enormer Bedarf an psychologischer Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine, erklärte Care. Die geflüchteten Menschen seien vor allem traumatisiert, weil sie nicht nur ihr Hab und Gut zurücklassen mussten, sondern auch ihre Söhne und Ehepartner. Zudem hätten sie nicht damit gerechnet, dass der Konflikt so lange dauert, und merkten nun, dass sie ihre Lebenspläne dem Krieg anpassen müssen.
Gemeinsam mit lokalen Partnern hat Care nach eigenen Angaben seit Beginn des Krieges vor einem Jahr fast eine Million Ukrainer unterstützt. Dabei versorgt die Hilfsorganisation die Menschen mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Hygieneartikeln, Medikamenten und medizinischem Equipment.