Hanau (epd). In Hanau ist am Sonntag der Opfer des rassistischen Terroranschlags vor drei Jahren gedacht worden. Am Mittag kamen auf dem Marktplatz rund 500 Vertreter aus Politik, Bürgerschaft und Religionsgemeinschaften zu einer Gedenkstunde zusammen. An ihr nahmen nehmen neben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sowie Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) teil.
Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), der außer Angehörigen der Opfer als einziger eine Ansprache hielt, rief bei der Gedenkveranstaltung dazu auf, sich gegen Hass, Rassismus und Hetze zu wehren und für eine kämpferische Demokratie einzutreten. „Deshalb sagen wir allen Rassisten, allen Antidemokraten, ja allen, die mit ihren Parolen unser Land vergiften: Wir sind mehr! Und wir sind stärker als euer Hass!“
Kaminsky verwahrte sich auch gegen Stimmen, die ein Ende des Gedenkens forderten. Der 19. Februar müsse neben der Erinnerung an die Ermordeten „ein dauerhafter Tag der Reflexion, der Prüfung, der Selbstvergewisserung“ sein. Zudem müsse weiter an der Aufdeckung der Tathintergründe gearbeitet werden, forderte das Stadtoberhaupt.
Vor der Veranstaltung auf dem Marktplatz hatte die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus bei einem Gedenkgottesdienst in der Marienkirche gepredigt. Auch sie rief zum Widerstand gegen Rassismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit auf. Es werde nie den Augenblick geben, in dem wir sagen können: „Jetzt sind wir fertig damit“, sagte Kurschus laut Predigtmanuskript. Dem Hass entgegenzutreten, bleibe eine tägliche Aufgabe.
Die Menschen sollten nicht erst dann handeln, „wenn sich der Rassismus besonders aufdringlich und spektakulär aufbläst“, sagte Kurschus. Es gehe viel früher los, in ganz kleinen Alltagssituationen. „Da braucht es oft gar nicht so viel Mut, aber eben doch Mut, um eine verächtliche Bemerkung zu kontern oder einer populistischen Parole zu widersprechen.“ Jedes Widersprechen habe Wirkung.
Die Ratsvorsitzende dankte den Angehörigen der Ermordeten und ihren Unterstützerinnen und Unterstützern auch für die vielen Gespräche, Begegnungen, Initiativen und Projekte, „die das Zusammenleben gerechter machen“. Sie hätten zudem mit „Geduld und Zorn und Beharrlichkeit“ die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erreicht, „der bis heute nach der Wahrheit sucht“. Auch diese Beharrlichkeit sei ein Ausdruck von tatkräftiger Liebe.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte an die Toten. „Wir können den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nur stärken, indem wir die Erinnerung an die Opfer sichtbar machen“ schrieb Scholz auf Twitter. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte am Samstag erklärt, der Anschlag in Hanau bleibe eine Wunde, die nicht verheilt.
Nach dem Gedenkakt auf dem Hanauer Marktplatz kamen die Teilnehmenden am Sonntag auf dem Hauptfriedhof zusammen. Dort wurde für jedes der Opfer ein Blumengesteck niedergelegt, ebenso auf den anderen Friedhöfen im In- und Ausland, auf denen die Opfer beerdigt sind. Am Nachmittag und Abend sollten in Hanau eine Demonstration gegen Rassismus und weitere Gedenkveranstaltungen stattfinden.
Hessens Ministerpräsident Rhein und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) erklärten in Wiesbaden, dass es für die „grausamen, unfassbaren“ Morde niemals ein Vergessen geben könne. "Wir müssen alles in unserer Macht Stehende dafür tun, damit sich so eine furchtbare Tat nicht wiederholt. Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst.