Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat ihre Unterschrift unter dem Friedens-Manifest von Publizistin Alice Schwarzer und Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht verteidigt. Sie sei und bleibe Pazifistin, schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“ (Samstag). „Dabei habe ich die Demut, zu wissen, dass ich schuldig werde an Menschen, die sich mit der Waffe verteidigen wollen.“
Sie habe zwar auch Verständnis für den Ruf nach Waffen. „Aber in einer Demokratie nehme ich mir das Recht heraus, bei meiner Position zu bleiben“, schrieb Käßmann. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine bei der Münchner Sicherheitskonferenz gegen Kritik.
Käßmann gehört zu den Erstunterzeichnern des „Manifests für den Frieden“, das am Freitagnachmittag binnen einer Woche fast eine halbe Million Menschen unterschrieben hatten. Das Manifest war in die Kritik geraten, weil es zu Verhandlungen zwischen Kriegsparteien im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aufruft und von beiden Seiten Zugeständnisse fordert. Nachdem auch AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla seine Unterstützung für das Manifest erklärt hatte, war der Linken-Politikerin Wagenknecht und „Emma“-Herausgeberin Schwarzer mangelnde Abgrenzung vorgeworfen worden. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick zog seine Unterschrift als Erstunterzeichner am Freitag zurück.
Der Pazifismus kenne andere Narrative als die militaristischen, schrieb Käßmann in der „Frankfurter Rundschau“. Da gehe es um Mediation, Diplomatie, gewaltfreie Konfliktbewältigung und zivilen Widerstand. „Kurzfristige Lösungen, den entsetzlichen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden, hat die Friedensbewegung nicht. Aber die Bellizisten und Waffenlobbyisten haben sie auch nicht“, schrieb sie.
Käßmann bemängelte die nach ihrer Einschätzung einseitige Debatte über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Diskurs in Deutschland spiegele bisher nicht, dass die Hälfte der Menschen die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisch sehe, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag). Aber diese Haltung werde in der Debatte „gnadenlos niedergemacht“.
In einem weiteren Gastbeitrag für das evangelische „Sonntagsblatt“ (Freitag, online) schrieb Käßmann, Pazifistinnen gälten als „naiv“, „ahnungslos“ und „dumm“. Das müsse sie hinnehmen. Sie verwies auf die biblischen Worte Jesu, der gesagt habe: „Selig sind, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Und: „Liebet eure Feinde“ (Mt 5,44). „Gerade die Feindesliebe ist, so der Baptistenpfarrer und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King, wohl das schwerste, was Jesus uns hinterlassen hat“, heißt es in dem Gastbeitrag für die in München erscheinende Kirchenzeitung.
Bundeskanzler Scholz sagte am Freitag in München, er verstehe, wenn einige in Deutschland wegen der Waffenlieferungen Sorgen hätten und diese Entscheidungen hinterfragten, sagte er. Ihnen wolle er aber sagen: „Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern.“
Das Gegenteil sei richtig. „Je früher Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen“, sagte der deutsche Regierungschef.