Hamburg, München (epd). Der Ex-Topdiplomat Wolfgang Ischinger befürwortet weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch Deutschland solle dem vor knapp einem Jahr von Russland angegriffenen Land zusätzliche Waffen liefern, sagte der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz in einem am Freitag vorab verbreiteten „Spiegel“-Interview, ohne ins Detail zu gehen. Die Ukraine müsse „zumindest in die Lage versetzt werden, den Zustand vom 23. Februar 2022 wiederherzustellen“, also dem Tag vor Kriegsbeginn.
Erfolgversprechende Gespräche sind nach Ischingers Einschätzung erst möglich, wenn bei beiden Konfliktparteien die Einsicht vorherrsche, dass sich die Lage mit militärischen Mitteln nicht mehr wesentlich zum eigenen Vorteil verändern lasse. „Leider ist diese Einsicht auf russischer Seite anscheinend noch lange nicht vorhanden“, sagte er. Die ukrainische Seite wiederum werde „den derzeitigen Zustand - also den Verlust großer Territorien - kaum in Verhandlungen festschreiben wollen“.
Ischinger mahnte zugleich in einem Interview mit Welt TV am Freitag mehr Empathie mit der Ukraine an, wie der Sender mitteilte. Damit wandte sich der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz gegen eine Stellungnahme des Philosophen Jürgen Habermas, der in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ vom Mittwoch für baldige Verhandlungen plädiert hatte. Ischinger kritisierte, er lese in dem Essay „alle möglichen Betrachtungen über angebliche bellizistische Neigungen in Deutschland“ sowie Ausführungen zur Haltung der USA und anderer Staaten. Doch er sehe „zu wenig Empathie für das Land, um das es hier geht“.
Habermas habe alte Vorschläge präsentiert, etwa die Frage, ob eine Rückkehr zu der Kontaktlinie vor Kriegsbeginn die Minimalvoraussetzung für Verhandlungen sein könnte. Diese Idee habe der frühere Außenminister der USA, Henry Kissinger, schon vor Monaten vorgetragen, unterstrich Ischinger.
Die jüngste Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine war durch ein „Manifest für Frieden“ der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht befeuert worden. Darin setzen sich diese gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen mit Russland ein. Die am vergangenen Freitag gestartete Online-Petition unterschrieben in den ersten sieben Tagen knapp 490.000 Menschen.