Dortmund: Polizeibeamte nach Tod eines 16-Jährigen angeklagt

Dortmund: Polizeibeamte nach Tod eines 16-Jährigen angeklagt
Es kommt nicht oft vor, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Polizei erhebt. Doch nachdem ein 16-Jähriger in Dortmund mutmaßlich von der Polizei erschossen wurde, sind nun fünf Beamte angeklagt.

Dortmund (epd). Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Anklage gegen fünf Polizeibeamte nach dem Tod eines 16-Jährigen bei einem Einsatz im vergangenen Sommer in der Stadt erhoben. Einem Beamten wird Totschlag, dreien gefährliche Körperverletzung im Amt und einem anderen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen, wie Staatsanwalt Carsten Dombert dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch bestätigte. Die Polizei Dortmund erklärte, eine gründliche Aufklärung sei in ihrem Sinne. Das in derselben Stadt ansässige Landgericht entscheidet nun, ob es zu einer Hauptverhandlung kommt.

Der 16-jährige Mouhamed Dramé war im August vergangenen Jahres bei einem Polizeieinsatz an einer Jugendhilfeeinrichtung von Schüssen aus einer Maschinenpistole der Beamten tödlich getroffen worden. Zuvor soll er die Absicht geäußert haben, sich umzubringen. Die Beamten hatten den Ermittlungen zufolge auch Pfefferspray und Taser gegen den Jugendlichen eingesetzt. Die Bodycams der Polizisten seien während des Einsatzes nicht eingeschaltet gewesen. Einige Details des Einsatzes hatten sich im Laufe der Ermittlungen anders dargestellt als zunächst von der Polizei angegeben.

Gegen den mutmaßlichen Schützen und vier weitere Polizeibeamte waren nach dem Vorfall zunächst Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Der Fall sorgte für bundesweite Aufmerksamkeit und führte zu Debatten über polizeiliche Ausbildung, Waffeneinsatz und Rassismus. Unter den angeklagten Beamten sind laut Staatsanwaltschaft drei Männer und zwei Frauen.

Die Dortmunder Polizei betonte, es sei auch das Interesse der Behörde, dass der Tod des Flüchtlings aus dem Senegal und die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen bei dem Einsatz im vergangenen Sommer in der Dortmunder Nordstadt „lückenlos aufgeklärt“ werde, erklärte Polizeipräsident Gregor Lange. Er verwies zugleich auf die Unschuldsvermutung, bis die Vorwürfe gerichtlich geklärt seien.

Er beteuerte, ihm sei klar, dass der Einsatz „vor allem bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte Vertrauen beschädigt“ habe. Das müsse die Polizei wieder herstellen. Er verwies auf verschiedene Maßnahmen wie etwa ein Beschwerdemanagement, Dialogformate und einen Extremismusbeauftragten. Zudem habe die Behörde Dienstunterrichte eingeführt, in denen Einsatzkräfte im Umgang mit psychisch auffälligen Personen geschult und sensibilisiert würden.

Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr begrüßte die Anklageerhebung. Es sei gut, wenn ein Richtergremium über die Schuld der Angeklagten entscheide und nicht die Staatsanwaltschaft, sagte der Professor an der Akademie der Polizei Hamburg dem Radiosender WDR 5. In dem Einsatz seien seiner Ansicht nach „eine ganze Menge von Dingen schiefgelaufen, die nicht alle den Polizisten unmittelbar anzulasten waren“.

Behr kritisierte, es sei nicht sinnvoll, wenn sich politisch Verantwortliche nach solchen Vorfällen „sofort und ohne jeden Zweifel“ vor die Polizei stellten, wie etwa Innenminister Herbert Reul (CDU) es zunächst getan habe. Das Vertrauen in die Polizei schwinde, wenn Stück für Stück ans Licht komme, dass Ereignisse anders stattgefunden haben als zunächst von der Polizei behauptet.