Köln (epd). Der Krieg in der Ukraine wird laut dem „Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner im rheinischen Karneval auch in diesem Jahr wieder eine große Rolle spielen. „Der Karneval positioniert sich in jedem Jahr zum Weltgeschehen“, sagte der Kölner Pädagoge und Jugendpsychotherapeut, der mehrere Bücher über den Karneval veröffentlicht hat, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie die Jecken das machen, stoße nicht überall auf Verständnis. Doch Karneval sei deutlich mehr, als die Bilder von betrunkenen Menschen in den Medien vermuten ließen.
In Köln seien bereits Wagen vorgestellt worden, die sich deutlich zu Russlands Präsident Wladimir Putin positionieren, sagte Oelsner. Er verwies etwa auf einen Wagen, der Putin zeigt, wie er die Erde durch einen Fleischwolf dreht und zu einem unappetitlichen Fleischklumpen verarbeitet. Auch von dem Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly seien wieder deutliche satirische Darstellungen zu erwarten.
Ebenso seien etwa die Stunk-Sitzung oder der Geisterzug bekannt dafür, kritische Auseinandersetzungen zu liefern. „Natürlich beeinflusst die politische Weltlage das Brauchtum“, betonte Oelsner. Im Karneval werde im Bewusstsein der eigenen Endlichkeit das Leben gefeiert. Es müsse jedoch auch akzeptiert werden, wenn Menschen zeigten, dass ihnen in der aktuellen Situation nicht nach Feiern zumute sei.
Unter dem Eindruck von Kriegen und Krisen wurde der Rosenmontagszug laut Oelsner bereits mehrfach abgesagt oder in eine Demonstration umgewandelt. Etwa zu Beginn des zweiten Golfkriegs 1991 oder nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine im vergangenen Jahr gingen Tausende Menschen auf die Straßen. 2022 hätten sich 250.000 Menschen mit karnevalesken Stilmitteln wie Liedern, vielfältigen Kostümen, Putin-Parodien oder einer aufgespießten Friedenstaube gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine positioniert.
In den 200 Jahren seit Entstehung des Festkomitees Kölner Karneval habe es bei Weitem keine 200 Rosenmontagszüge gegeben, sagte Oelsner. Während der beiden Weltkriege etwa fiel der Karneval in der Stadt aus, erst 1949 wurde in Köln wieder umfassend mit Rosenmontagszug gefeiert. Im Jahr des Berliner Mauerbaus 1961 und nach der Sturmflutkatastrophe 1962 in Hamburg wurde debattiert, ob die Feierlichkeiten angemessen seien. Während der ersten Jahre der Corona-Pandemie fielen die Karnevalsveranstaltungen aus oder wurden in deutlich abgespeckter Form organisiert.
Oelsner verwies zudem auf die enge Verknüpfung des Karnevals mit den Ritualen des christlichen Glaubens. „Ohne Fastenzeit gäbe es keine Fastnacht“, sagte der Karnevals-Experte. Aus der Feierkultur resultierte zudem eine große Hilfskraft. Das zeigten etwa die hohen Spendensummen, die in jedem Jahr von den Vereinen gesammelt werden.