Genf (epd). Die Vereinten Nationen haben bei einer Zwischenbilanz nach den Erdbeben in Syrien und der Türkei auf die verheerende Lage im Katastrophengebiet hingewiesen. Gleichzeitig lobten die UN und Hilfsorganisationen am Dienstag in Genf die Öffnung zweier weiterer Grenzübergänge für die Lieferung humanitärer Güter nach Nordwestsyrien.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben in der Türkei mehr als 31.000 Menschen durch die Katastrophe, fast 100.000 wurden verletzt. In Syrien seien bislang 5.000 Tote geborgen worden, sagte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Henri Kluge. Doch die tatsächliche Zahl der Toten und Verletzten liege wahrscheinlich höher. Die schweren Erdbeben hatten am Montag vergangener Woche die Grenzregion Syriens und der Türkei erschüttert.
In beiden Ländern bräuchten 26 Millionen Kinder, Frauen und Männer Lebensmittelhilfe, medizinische Versorgung, Unterkünfte und andere humanitäre Unterstützung, sagte Kluge. Eine Million Menschen habe in der Türkei ihr Zuhause verloren. Der europäische Regionalverbund der WHO habe die größte Entsendung von medizinischen Notfallteams in seiner 75-jährigen Geschichte eingeleitet. Bislang seien 22 Notfallteams aus 19 Ländern in der Türkei eingetroffen. Kluge warnte vor dem Ausbruch von Infektionskrankheiten.
UN-Generalsekretär António Guterres und verschiedene Hilfsorganisationen lobten die Öffnung von zwei Grenzübergängen von der Türkei nach Nordwestsyrien. Die Entscheidung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, die Übergänge Bab Al-Salam und Al Ra'ee für einen Zeitraum von zunächst drei Monaten zu öffnen, ermögliche die rechtzeitige Lieferung humanitärer Hilfe, erklärte Guterres. Die Versorgung der Betroffenen mit Nahrungsmitteln, Gesundheitsgütern, Unterkünften, Wintervorräten und anderen lebensrettenden Gütern habe äußerste Dringlichkeit.
Das Kinderhilfswerks Unicef, das Welternährungsprogramm und die Internationale Organisation für Migration (IOM) erklärten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzten die beiden neuen Übergänge für ihre Lieferungen. Auch Caritas international begrüßte die Öffnungen. „Angesichts der dramatischen Lage in diesem Teil des Erdbebengebietes ist es höchste Zeit, dass Syrien sich jetzt bewegt hat“, sagte der Leiter des Hilfswerks des Deutschen Caritasverbandes, Oliver Müller.
Die Bevölkerung in den nicht vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten im Nordwesten des Landes wurde von den UN und Hilfsorganisationen bislang hauptsächlich über den an der Grenze zur Türkei gelegenen Übergang Bab al-Hawa versorgt. Grundlage dafür ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrates. Russland, enger Verbündeter von Präsident Assad im 2011 begonnenen Bürgerkrieg, hatte immer wieder gegen eine Ausweitung des Mandats Stellung bezogen. In der Region waren bereits vor den Erdbeben 4,1 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.
Der WHO-Region Europa gehören 53 Länder an, darunter die Türkei. Syrien gehört zu der WHO-Region östliches Mittelmeer. Das WHO-Regionalbüro für Europa sitzt in Kopenhagen.