Bremerhaven (epd). In der Antarktis gibt es derzeit so wenig Meereis wie noch nie seit Beginn der Satellitenbeobachtungen vor 40 Jahren. Anfang Februar waren lediglich 2,2 Millionen Quadratkilometer des Südlichen Ozeans von Meereis bedeckt, wie das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung am Freitag mitteilte. Demnach berichtete das Expeditionsteam auf dem Forschungs-Eisbrecher „Polarstern“ im derzeitigen Südsommer von nahezu eisfreien Verhältnissen in seinem Forschungsgebiet, dem antarktischen Bellingshausenmeer.
„Am 8. Februar wurde mit einer Ausdehnung von 2,2 Millionen Quadratkilometern das bisherige Rekordminimum aus dem Jahr 2022 bereits unterschritten“, beschrieb der Bremerhavener Meereisphysiker Professor Christian Haas die derzeitige Lage. Am 24. Februar 2022 habe die Meereisbedeckung in der Antarktis noch bei 2,27 Millionen Quadratkilometer gelegen. „Da die Meereisschmelze in der Antarktis voraussichtlich bis in die zweite Februarhälfte weiter andauert, können wir heute noch nicht sagen, wann der neue Negativrekord erreicht sein wird und wie viel Meereis bis dahin noch zusätzlich schmilzt“, erklärte Haas.
Die rasante Abnahme des Meereises in den vergangenen sechs Jahren ist seiner Einschätzung nach „sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den 35 Jahren davor kaum verändert hatte“. Es sei unklar, ob dies der Anfang vom schnellen Ende von sommerlichem Meereis in der Antarktis sei, oder ob es sich nur um eine neue Phase mit geringerer, aber weiterhin stabiler Meereisbedeckung im Sommer handele.
Die „Polarstern“ forscht im Bellingshausenmeer nach Spuren vergangener Eis- und Warmzeiten. AWI-Expeditionsleiter und Geophysiker Professor Karsten Gohl ist seit 1994 bereits zum siebten Mal in dieser Region. Er sagte: „Eine solche extreme eisfreie Situation habe ich hier zuvor noch nicht erlebt.“ Für die Forschungsarbeiten auf dem Schiff seien diese Bedingungen von Vorteil, „aber es gibt einem zu denken, dass diese Änderung in so kurzer Zeit geschehen ist“.
Auch historische Aufnahmen zeigen nach Angaben des AWI die enorme Veränderung. So sei im Südsommer vor 125 Jahren das belgische Forschungsschiff „Belgica“ in genau jenem Gebiet für mehr als ein ganzes Jahr unfreiwillig im massiven Packeis eingefroren, in dem die Polarstern heute komplett frei von Eis operieren könne.
Forschende vom AWI und der Universität Bremen analysieren für das digitale Meereisportal die Situation. Generell erreiche das Meereis in der Antarktis im Jahresgang im September oder Oktober seinen Höhepunkt und jeweils im Februar sein Minimum, hieß es. Mancherorts schmelze das Meereis im Sommer komplett ab. Das kalte Klima rund um die Antarktis ermögliche im Winter dann wieder eine schnelle Meereisneubildung. Bei ihrer maximalen Ausdehnung betrage die Meereisbedeckung in der Antarktis im Allgemeinen zwischen 18 und 20 Millionen Quadratkilometer.