Es brauche dringend eine neutrale Institution, die einen Friedensprozess anschieben könne, sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst. Dass selbst in dieser Zeit Gespräche zwischen beiden Kriegsparteien zu Erfolgen führen könnten, bewiesen das von der Türkei vermittelte Getreideabkommen oder der regelmäßige Austausch von Kriegsgefangenen.
Deutschland falle für eine Vermittlerrolle aus, nachdem sich die Bundesregierung zur Lieferung von Kampfpanzern entschieden habe. Diese Panzerlieferungen der europäischen Staaten und der USA würden eine Eskalation des militärischen Konflikts bedeuten, sagte Kramer. Schon werde der Ruf nach weiteren Waffensystemen laut. Dabei würden selbst die Lieferstaaten inzwischen immer deutlicher erkennen, dass die Lieferungen allein den Konflikt nicht lösen werden.
"Das zeigt sich auch daran, dass die Kriegsziele zur Begründung der militärischen Hilfe immer wieder wechseln", sagte Kramer. Mal dürfe die Ukraine nicht verlieren, dann solle sie ihr gesamtes Territorium befreien, nun werde erwartet, dass die Kampfpanzer die russischen Offensiven abwehren können.
Kramer forderte alle Parteien auf, das Leiden der Menschen stärker in den Blick zu nehmen. In der Ukraine spiele sich entsetzliches Leid ab. Die russische Gesellschaft gerate immer tiefer in den Griff eines totalitären Polizeistaats. Der Krieg befördere zudem den Hunger in der Welt, weil die Ukraine als Lebensmittellieferant im bisherigen Umfang ausfalle. Daher müssten abseits der Waffenlieferungen Wege gefunden werden, die Spirale der militärischen Eskalation über vermittelte Friedensgespräche zu durchbrechen. Das finde derzeit nicht im erforderlichen Umfang statt.
Kramer ist seit 2019 Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Im Januar vergangenen Jahres wurde er zudem EKD-Friedensbeauftragter. Dieser soll die kirchliche Friedensarbeit stärken und nach außen repräsentieren. Das Amt wurde 2008 geschaffen.