Schulseelsorge nach Tötungsdelikt: "Es geht darum, da zu sein"

Schulseelsorge nach Tötungsdelikt: "Es geht darum, da zu sein"
26.01.2023
epd
epd-Gespräch: Von Julia Pennigsdorf

Loccum (epd). Im Fall des 14-Jährigen aus Wunstorf, der von einem gleichaltrigen Freund getötet worden sein soll, ist es nach Ansicht der Schulseelsorgerin Bettina Wittmann-Stasch für die Schulgemeinschaft wichtig, sich nicht in Spekulationen über die Einzelheiten der Tat zu verlieren. „Als Schulseelsorger versuchen wir deswegen im Verlauf eines solchen Ereignisses den Blick auch weg vom Geschehen zu lenken“, sagte die stellvertretende Rektorin des Religionspädagogischen Instituts Loccum im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es helfe in dieser Situation nicht, sich mit all den kursierenden Mutmaßungen, Meinungen und Interpretationen zu beschäftigen. „Basis müssen allein die von der Polizei freigegebenen Informationen sein.“

Am Mittwoch war der leblose Körper des zuvor als vermisst gemeldeten 14-Jährigen nach einer mehrstündigen Suchaktion von Polizei und Feuerwehr auf einem Brachgelände bei Wunstorf gefunden worden. Nach Polizeiangaben räumte ein gleichaltriger Freund ein, den Jungen getötet und den Leichnam versteckt zu haben. Der unter Verdacht stehende Junge befindet sich in Gewahrsam. Der 14-Jährige besuchte bis zu seinem Tod die Evangelische Integrierte Gesamtschule Wunstorf. Dort sind Seelsorger im Einsatz, um Schülern und Lehrern beizustehen.

Der Beistand nach solchen Taten bestehe zunächst darin, zu signalisieren, „ich bin für dich da“, sagte Wittmann-Stasch. „Wir haben Zeit, wir drängeln nicht.“ Nicht jeder könne sofort über Ereignisse wie diese sprechen, „manche Menschen verstummen auch erst mal“.

Es gehe darum, den Schülern, konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, ihnen zu vermitteln, was sie machen könnten, um über die ersten Stunden und Tage zu kommen. „Das kann ganz verschieden sein, so verschieden wie die Menschen sind.“

Ein Ansatz sei es, mit mehreren Schülerinnen und Schülern zusammen an den Getöteten zu denken, sich auszutauschen: „Was verbindet mich mit ihm, welche Erinnerungen habe ich, was mochte ich an ihm?“ Wer allein sein möchte, könne einen Abschiedsbrief formulieren, etwas zeichnen oder malen, das später mit in das Grab gegeben oder als Ritual verbrannt werde. „Das kann ein Ventil sein.“

Völlig legitim sei es aber auch, sich abzugrenzen und abzulenken. „Es geht darum, das zu tun, was mir in der Situation guttut“, betonte Wittmann-Stasch. Wer in seinen Verein gehen und Sport treiben möchte, solle das machen. „Es ist jedem jederzeit erlaubt zu sagen: Ich möchte nicht darüber reden.“

Besonders bei jungen Menschen sei es wichtig, deutlich zu machen, dass sie das Erlebte verarbeiten und überstehen werden. Im Unterschied zu Erwachsenen hätten Kinder und Jugendliche meist noch nicht die Erfahrung machen können, dass sie aus schwierigen Situationen auch wieder herauskommen. „Das macht sie in gewisser Weise zerbrechlicher.“