Göttingen (epd). Nach der Entscheidung des Bundestages, die Verfolgung der Jesiden im Irak als Völkermord anzuerkennen, fordern Menschenrechtler konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Überlebenden. „Mit der Anerkennung des Genozides ist die Arbeit nicht getan“, sagte Tabea Giesecke von der Gesellschaft für bedrohte Völker am Donnerstag in Göttingen. „Die jesidische Gemeinschaft muss unmittelbar an allen Entscheidungen über ihre Zukunft und die ihrer Heimatregion Sindschar beteiligt werden. Nur dann wird sich die Lage der Überlebenden wirklich verbessern.“
Der Bundestag hatte die Verbrechen der radikalislamischen IS-Miliz an der Glaubensgruppe der Jesiden zuvor als Völkermord anerkannt. Die Abgeordneten stimmten einstimmig für die von den Ampel-Fraktionen und der CDU/CSU gemeinsam vorgelegte Resolution. Der Bundestag ist damit das erste Parlament eines großen europäischen Staats, das die Gräueltaten an den Jesidinnen und Jesiden im Jahr 2014 als Völkermord anerkennt.
Der Genozid dauert aus Sicht der Gesellschaft für bedrohte Völker bis heute an, denn viele jesidische Frauen seien immer noch verschwunden oder in Gefangenschaft. Zahlreiche jesidische Vertriebene säßen weiterhin ohne Perspektive in Flüchtlingslagern fest, weil viele Häuser zerstört worden seien und die Region Sindschar weiterhin unsicher ist. Kollektive und individuelle Traumata würden bisher kaum aufgearbeitet.