Anhänger der radikal-islamischen Salafisten haben am Samstag in mehreren deutschen Städten kostenlos Koran-Exemplare verteilt. Die Aktion stieß bei zahlreichen Politikern und Experten auf Skepsis. Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hält mehr Aufklärung über "die wahren Absichten" der Gruppierung für nötig. Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) warnte die Salafisten davor, das Grundrecht auf Religionsfreiheit zu missbrauchen. Ali Kizilkaya, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland, distanzierte sich von der Initiative, rief aber zugleich zu Gelassenheit auf: "Zur Panik gibt es keinen Grund."
In Hannover demonstrierte die islamkritische Partei "Die Hannoveraner" und die christliche Initiative "Bürger für Dialog und Wahrheit" gegen die Koran-Verteil-Aktion. Letztere verteilte Bibeln und Grundgesetze. Bewusst wolle man der Aktion der Salafisten etwas entgegen setzen, hieß es. Für Samstag waren nach Angaben aus Berliner Sicherheitskreisen "Info-Stände" der Salafisten in 38 Städten angemeldet worden. Insgesamt war langfristig die Verteilung von 25 Millionen Ausgaben des heiligen Buchs der Muslime geplant.
Abu Nagie: "Allah verspricht denen die Hölle"
Der salafistische Prediger Ibrahim Abu Nagie aus Köln will die von ihm initiierte Verteilung von Koranen wie geplant weiterführen lassen. Die Verbreitung des Korans sei "die Pflicht von jedem Muslim", sagte Abu Nagie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er werde dieser Pflicht nachkommen, obwohl er "jeden Tag" von der Polizei und vom Verfassungsschutz "terrorisiert" werde und unter der "Medienhetze" leide. Muslimische Kritiker der Salafisten nannte Abu Nagie "Heuchler": "Allah verspricht denen die Hölle."
Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" prüft die Ulmer Druckerei Ebner und Spiegel, die mit dem Druck der Korane beauftragt ist, unterdessen weiter den Auftragsabbruch. "Wenn wir da rauskommen, wollen wir raus", sagte ein Unternehmenssprecher der Zeitung. Eine Entscheidung erwarte er für Montag. Die Druckerei hat den Angaben zufolge seit dem Herbst 2011 insgesamt 300.000 Korane für den Kölner Verein "Die wahre Religion" gedruckt.
Bundeskriminalamts-Präsident Ziercke sagte der in Berlin erscheinenden "Welt am Sonntag", die Beobachtung der salafistischen Szene in Deutschland durch den Verfassungsschutz sei eine wichtige Voraussetzung, um Straftaten frühzeitig zu erkennen. "Dass der Salafismus mit seiner Ideologie zum Radikalisierungsprozess von Menschen beitragen kann, hat beispielsweise der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen im letzten Jahr gezeigt", fügte Ziercke hinzu. Das bedeute aber nicht, dass jeder Salafist mit terroristischen Aktivitäten in Verbindung zu bringen sei.
Bosbach: "Salafistische Hassprediger sollten wir nicht dulden"
Ali Kizilkaya, der auch Vorsitzender des Islamrats ist, nannte die Debatte über die Aktion "etwas panisch". Es sei grundsätzlich erlaubt, religiöse Schriften und damit auch den Koran zu verteilen, sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Samstagsausgabe). Das sei "so ähnlich, als würde man die Bibel verteilen." Allerdings sei es "eine Geschmacksache", den Koran in dieser Dimension zu verteilen. "Ich bin mir nicht sicher, dass dies dem Koran dient. So wie das im Moment gemacht wird, dient es ihm eher nicht."
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach äußerte sich zur Koran-Aktion besorgt. Es gehe den Salafisten nicht nur um Werbung für die Glaubensüberzeugung, "sondern um Werbung für eine radikale politische Ideologie, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist", sagte Bosbach der "Passauer Neue Presse" (Samstagsausgabe). Sollte einer der Protagonisten als Hassprediger bekannt sein, müsse bei Drittstaatsangehörigen auch geprüft werden, ob eine Ausweisung möglich sei, sagte Bosbach: "Salafistische Hassprediger sollten wir nicht dulden. Das wäre falsch verstandene Toleranz."
Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) erklärte, er habe nichts dagegen, dass in Deutschland Koran-Ausgaben verteilt würden. Sobald es dabei aber zu strafbaren Handlungen komme, werde der Staat eingreifen: "Klar ist: Jegliche Form von Gewalt - oder auch nur der Aufruf hierzu - ist durch die Religionsfreiheit nicht gedeckt, sondern kann und wird strafrechtliche Konsequenzen ebenso nach sich ziehen wie eine Abschiebung, ein Einreiseverbot oder das Verbot von Versammlungen", sagte Hahn der Tageszeitung "Die Welt".