Lützerath, Keyenberg (epd). Tausende Menschen haben am Samstag in Lützerath für den Erhalt des von der Abbaggerung durch den Braunkohletagbau betroffenen Ortes demonstriert. Vom Nachbardorf Keyenberg zogen sie bei Regen und Sturm in Richtung Lützerath, das seit Mittwoch wegen der anstehenden Abbaggerung von der Polizei geräumt wird. Nachdem die Versammlung zunächst weitgehend friedlich verlief, kam es nach Angaben eines Polizeisprechers am Nachmittag zu Zusammenstößen, bei denen unter anderem Pyrotechnik auf Beamte gefeuert wurde.
Zahlreiche Demonstrationsteilnehmer hatten im Verlauf der Kundgebung den regulären Zug verlassen und waren in Richtung Abbruchkante und Ortslage Lützerath vorgedrungen. Polizeiketten und Menschenketten von Demonstranten standen sich gegenüber. Einigen Teilnehmern gelang es, die Polizeiketten zu durchbrechen und in den Tagebau vorzudringen. Laut einem Polizeisprecher befanden sich die Aktivisten zunächst „im oberen Kranz“ des Tagebaus. Genaue Angaben zu Verletzten oder Menschen im Tagebau konnte die Polizei zunächst nicht machen. Bis zum Nachmittag war die Lage angespannt.
Während die Veranstalter wie Campact und BUND von 35.000 Teilnehmern sprachen, schätzte die Polizei die Zahl auf etwa 10.000. Zu den Organisatoren der Demonstration zählten auch die Initiativen „Lützerath Lebt!“, „Alle Dörfer bleiben“, Fridays for Future Deutschland, die Naturschutzjugend NRW und die Klima-Allianz Deutschland.
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die auf Einladung von „Fridays for Future Deutschland“ gekommen war, nannte es „eine Schande“, dass Deutschland trotz der Klimakrise weiter Verträge mit Energieunternehmen wie RWE abschließe, die Kohle abbauen und verfeuern würden. Die große Zahl an Teilnehmern auf der Demo lobte die Schwedin als „Zeichen der Hoffnung“. Die Resonanz zeige, dass die Veränderungen in der Klima- und Umweltpolitik nicht „von den sogenannten Entscheidungsträgern“ in Politik und Wirtschaft erzielt würden, sondern von den Menschen auf der Straße und in Baumhäusern. Sie rief zu weiteren Protesten und Widerstand auf. „Solange die Kohle im Boden ist, ist dieser Kampf nicht vorbei“, sagte sie. „Wir haben nicht vor, aufzugeben.“
Auch andere Redner forderten einen Stopp der Räumung des Weilers Lützerath und verlangten von der Politik eine entschiedenere Klimapolitik, um die auf dem Pariser Klimagipfel vereinbarte Grenze einer Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, erklärte, dass die Abbaggerung der Kohle unter Lützerath „fachlich-wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen“ sei.
Auch der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Jülich, Jens Sannig, verwies auf die negativen Folgen des Kohleabbaus. „Heute merken wir: Es nützt nichts, den Ausstieg 2030 zu feiern, wenn bis dahin mehr Kohle abgebaut und verbrannt wird, als mit den Klimazielen von Paris vereinbar ist. Dagegen wehren wir uns weiterhin. Es ist nicht verantwortbar“, betonte der Theologe. „Lasst die Kohle hier unter der Erde!“, sagte Sannig, der auch für die Klima-Allianz Deutschland sprach, auf der Abschlusskundgebung
Am Samstag hatte die Polizei die Räumung des inzwischen von Sicherheitszäunen umgebenen Weilers Lützerath fortgesetzt, unter anderem wurden einzelne noch vor Ort verbliebene Aktivisten aus Bäumen geholt. Der Konzern RWE ließ weiter Gebäude abreißen und Bäume roden. Zu den beiden Aktivisten in einem Tunnel habe es mehrere, aber erfolglose Gesprächsversuche gegeben, hatte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach dem Fernsehsender Phoenix gesagt. Feuerwehr und THW seien nun für den weiteren Kontakt zuständig.