Silvester: Integrationsbeauftragte warnt vor "Generalverdacht"

Silvester: Integrationsbeauftragte warnt vor "Generalverdacht"
Die Debatte um Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester dreht sich nun um den ethnischen Hintergrund der Täter. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung warnt vor so einer Reduzierung, der Psychologe Ulrich Walter differenziert das Problem.

Berlin (epd). In der Debatte um die Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte in der Silvesternacht warnt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), vor einer Reduzierung der Ursachen auf den ethnischen Hintergrund der Täter. Die Gewalt habe verschiedene Ursachen, bestätigte der Sozialpsychologe Ulrich Walter.

Es dürfe keinen „Generalverdacht gegenüber Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte“ geben, sagte Alabali-Radovan am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir müssen die Täter anhand ihrer Taten beurteilen, nicht anhand ihrer vermuteten Herkunft, wie dies jetzt einige tun.“ Wer so reagiere, „trägt zur weiteren Stigmatisierung von Teilen der Gesellschaft bei und spaltet, statt die sozialen Ursachen des Problems zu bekämpfen“.

Bei Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund sei eine mögliche Erklärung, dass bei diesen Menschen Integration und Partizipation noch nicht gut gelungen seien, erklärte der Psychologe Wagner dem RBB-Inforadio. Dies liege dann auch an der Qualität der Angebote zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Die Angriffe seien teilweise spontane Handlungen junger Menschen gewesen, sagte der Sozialpsychologe der Universität Marburg. Derartige Ereignisse ergäben sich häufig aus der jeweiligen Situation. Dabei spiele Alkohol eine Rolle sowie eine Stimmung zwischen Heiterkeit und Aggression. Diese wende sich dann als eine Mischung aus „Attacke und Scherz“ gegen die Rettungskräfte.

Zugleich verwies Wagner auf einen insgesamt rückläufigen Trend beim Thema Gewalt. Spezifische Gewaltformen wie die auf Einsatzkräfte beim jüngsten Jahreswechsel nähmen aber zu. Dies lege nahe, dass man es bei diesen Angriffen mit einer kleinen Gruppe zu tun habe, „die eigene Vorstellungen zum Umgang mit staatlichen Institutionen und zum Umgang mit Gewalt entwickelt hat“.

Die Kommunalverbände rechnen als Konsequenz aus der Silvesternacht beim kommenden Jahreswechsel mit mehr Böllerverbotszonen. „Bislang haben die Städte, bereits lange vor Corona, gute Erfahrungen mit Feuerwerks-Verbotszonen gemacht“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). Diese Verbotszonen dienten dazu, Anwohner vor Lärm, historische Gebäude vor Bränden und Menschen auf Feiermeilen vor Verletzungen zu schützen.

Nach einer genauen Analyse der Vorfälle könne es dazu kommen, „dass beim nächsten Jahreswechsel die Böller-Verbotszonen ausgeweitet werden oder in Absprache mit den Sicherheitsbehörden die Polizeipräsenz erhöht wird“, sagte Dedy. Dabei dürfe man aber nicht vergessen, dass der Großteil der Menschen sich an die Regeln gehalten habe.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, sagte dem RND, die Ausschreitungen in der Silvesternacht zeigten den „sinkenden Respekt einiger Teile der Bevölkerung gegenüber dem Staat“. Das sei „ein tiefgehendes Problem, dem aber nicht mit einem Böllerverbot beizukommen ist“. Sager sieht keine Notwendigkeit für flächendeckende Böller-Verbote. Derzeit sei es im Rahmen der Gesetze möglich, örtliche Böllerverbote vorzusehen, was auch teilweise geschehen sei.