Berlin (epd). Die Äußerungen des Virologen Christian Drosten über ein Ende der Corona-Pandemie haben eine Debatte über die endgültige Abschaffung der Maskenpflicht und anderer Schutzmaßnahmen ausgelöst. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte am Dienstag bei Twitter, die letzten Einschränkungen sollten beendet werden. Aus der Unionsfraktion im Bundestag gab es die Forderung nach einer Sonderkonferenz von Bund und Ländern Anfang Januar, bei der die meisten Maßnahmen bundesweit aufgehoben werden sollten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnt ein sofortiges Ende aller Corona-Maßnahmen hingegen ab. Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) teilte er mit: „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch, und der Winter ist noch nicht zu Ende. Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert.“
Drosten hatte dem Berliner „Tagesspiegel“ gesagt: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.“
Lauterbach betonte: „Christian Drosten hat Recht, dass wir in den endemischen Zustand der Corona-Wellen übergegangen sind, die Wellen betreffen nur Teile der Bevölkerung.“ Trotzdem gelte es, jetzt noch die besonders gefährdeten Menschen zu schützen. Das sei etwa durch Masken in Pflegeeinrichtungen möglich.
Nach Angaben des Berliner „Tagesspiegels“ wandte sich Buschmann in einem Brief an seinen Kabinettskollegen Lauterbach. „Wir sollten angesichts der erfreulichen pandemischen Entwicklung zum Regelfall zurückkehren und die bundesweiten Schutzmaßnahmen außer Kraft setzen“, zitierte die Zeitung den FDP-Politiker. Er verwies dabei auf die Möglichkeit für ein Außerkraftsetzen der Maßnahmen per Verordnung.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU) erklärte: „Es wird Zeit, die Pandemie endlich für beendet zu erklären.“ Masken- und Isolationspflichten müssten zum neuen Jahr mit wenigen Ausnahmen durch Empfehlungen ersetzt werden, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Mittwoch). Einzig im Gesundheitswesen und in der Pflege seien Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 weiterhin angebracht.
Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, äußerte sich ähnlich: „Wenn jetzt auch die Wissenschaft nahezu einhellig sagt, die Pandemie ist vorbei, kann man die Maßnahmen nicht mehr als Pflichtmaßnahmen aufrechterhalten.“ Ein „Weiter so'“ bis Anfang April sei der Bevölkerung nicht vermittelbar, sagte Gaß der Zeitung „Die Welt“ (Mittwoch). In den Kliniken sollte die Maskenpflicht aufrechterhalten bleiben, die Testpflicht könne entfallen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärte, er halte einen Abbau der rechtlich verbindlichen Maßnahmen für vertretbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne gesagt werden, dass die Pandemie derzeit in eine Endemie übergehe, sagte Reinhardt im Deutschlandfunk.
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, wiederum warnte vor Sorglosigkeit. Man könne sich im Umgang mit der Krankheit zwar „Erleichterungen leisten“, sagte der Mediziner den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). „Dabei sollten wir aber nicht alle Vorsicht fahren lassen.“
Unter den Bundesländern, die für das Gros der Maßnahmen zuständig sind, zeichnete sich kein genereller Kurswechsel ab. Rheinland-Pfalz begrüßte die Debatte zwar, will aber an der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr und in den medizinischen Einrichtungen zunächst festhalten. Auch Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg planen keine Änderungen. Hessen und Nordrhein-Westfalen wollen die Lage genau beobachten und dann entscheiden. Bayern und Sachsen-Anhalt haben die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr bereits abgeschafft. Schleswig-Holstein plant diesen Schritt für den 1. Januar.