Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft Staat, Behörden und die Menschen in Deutschland auf, sich gegen jede Form von Antisemitismus zu stellen. „Auch hier bei uns erleben wir, dass der Antisemitismus wächst und sich wieder offener zeigt, dass judenfeindliche Verschwörungsmythen sich mitunter bis in die Mitte der Gesellschaft verbreiten, dass Jüdinnen und Juden beleidigt und angegriffen werden“, sagte er laut Redemanuskript am Montag bei einer Chanukkafeier mit den Nachfahren der Kieler Rabbinerfamilie Posner im Schloss Bellevue in Berlin. Deswegen müssten alle, jede Einzelne und jeder Einzelne, immer wieder Haltung zeigen. „Niemand darf wegschauen“. Staat und Behörden müssten „wachsam sein - und unerbittlich in der Verfolgung von Straftaten“.
Die Enkel von Rahel und Akiba Posner hatten nach Angaben des deutschen Freundeskreises Yad Vashem vor ihrer Reise nach Berlin erstmals Kiel besucht. Im Gepäck haben sie demnach einen Chanukka-Leuchter, von dem es ein berühmtes Foto gibt: Rahel Posner hatte es 1931 aufgenommen. Zu sehen ist der Leuchter auf der Fensterbank, im Hintergrund das mit einer Hakenkreuzfahne beflaggte Gebäude der NSDAP-Kreisleitung. Auf der Rückseite des Bildes notierte die Frau des Rabbiners die Worte: „Juda verrecke, die Fahne spricht - Juda lebt ewig, erwidert das Licht.“ Später gelang dem Rabbiner und seiner Familie laut Freundeskreis die Flucht nach Palästina.
Steinmeier sagte: „Wir erleben, dass heute, 90 Jahre nachdem dieser Leuchter zum letzten Mal in Deutschland genutzt worden ist, hierzulande wieder jüdischer Alltag gelebt wird in Kitas und Schulen, in Synagogen, Rabbinerseminaren, Gemeindesälen.“ Er sprach von einem „wunderbaren Geschenk der Versöhnung“.
Seinen Dank richtete der Bundespräsident an die Nachfahren der Rabbinerfamilie Posner, die ihn zum gemeinsamen Anzünden zweier Kerzen am zweiten Tag Chanukka eingeladen haben. „Es ehrt unser Land, dass Sie als Nachfahren von Holocaust-Überlebenden die Mühe und auch den Schmerz auf sich genommen haben, zum ersten Mal nach der Shoah nach Deutschland zu kommen.“